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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Außerdem hast du keine Angst vor mir.«
    »Erik auch nicht.«
    »Und auch nicht Georg«, sagte er. »Ihr seid eine Wolfsbrut.«
    »Warum mußt du uns denn adoptieren«, fragte ich, »wenn du sowieso unser Vater bist?«
    »Weil ledige Kinder mit ihrem natürlichen Erzeuger nicht verwandt sind. Und das ist auch gut so.«
    »Was wird eigentlich aus meinen acht oder zehn anderen Halbbrüdern und Halbschwestern?«
    »Finanziell sind sie längst versorgt«, entgegnete der Konzerndespot. »Oder meinst du, ich hätte kein Verantwortungsgefühl?«
    »Ich werde mich vor Zweifeln hüten«, versetzte ich.
    »Mach's gut«, sagte er und klopfte mir beim Abschied auf die Schulter: es war das Äußerste an Sentimentalität, was er sich je erlaubt hatte.
    Wir ahnten wohl beide, daß wir uns nie wiedersehen würden.
    Er sah gut aus, und er machte sich nichts daraus. Ich bemerkte es mit dem ersten Blick. Ich wußte nicht, daß er vor knapp zehn Jahren in Berlin unter dem Kampfnamen der ›jüdische Adonis‹ beim weiblichen Geschlecht erstaunliche Erfolge bis weit in völkische Kreise gefeiert hatte.
    »Ich soll Sie von meinem Vater grüßen«, sagte ich ziemlich unschlüssig. Ich war nicht verlegen, weil ich aus Großdeutschland kam und er Jude war. Juden waren mir gleichgültig; ich empfand nichts für sie und hatte nichts gegen sie. Zwar wurden sie vom Regime verfolgt, aber verfolgt wurden schließlich auch Sozialisten, Freimaurer, Kommunisten und sogar Bibelforscher.
    Als Soldat hatte ich gelernt, in Deckung zu gehen, deshalb sagte ich mir, ohne zu wissen, wie naiv ich dachte: Wären diese verdammten Juden in Deckung gegangen, hätten sie sich – wie alle anderen – so lange vermischt, bis sie zu Achtel- oder Sechzehnteljuden geworden wären wie vermutlich alle anderen auch, der Führer inbegriffen.
    Aber sie hatten sich den Glauben bewahrt und ihre Resistenz gezüchtet, ihre Intelligenz kultiviert und ihr Vermögen gemacht. Nun waren sie an der Reihe, und diese Reihe war endlos. Eigentlich reichte sie bis zum dummen Kleber und dem armen Molitor, die keine Juden waren im Sinne der Nürnberger Gesetze.
    Es erschien mir zwecklos, Erörterungen darüber anzustellen, was alles versäumt worden war, um die braune Bewegung rechtzeitig in die große Kloake zu karren und luftdicht abzuschließen. Nunmehr konnte jeder sehen, wie er sich mit Kopf und Beinen aus der Affäre zog, so er keinen späten Vater hatte, der ihm zu einer Schwedenreise verhelfen konnte.
    Natürlich hatte ich Mitleid mit allen, die von der Zeit viviseziert wurden – aber es hielt sich in Grenzen. Schließlich war meiner Generation das Mitleid wegtrainiert worden, bis wir als stubenrein galten – im Sinne des Systems.
    So ähnlich jedenfalls dachte ich, als ich Daniel Gersbach das erste Mal gegenüberstand und nicht wußte, was ich mit ihm anfangen sollte. Immerhin: ich würde ein paar Monate Freiheit atmen, Zivilisation auskosten, Friedensqualitäten naschen, um dann wieder im Osten oder Westen in den Krieg zu ziehen. Die Richtung war gleichgültig; die Fronten näherten sich so schnell einander, daß die Kameraden bald Rücken an Rücken kämpfen würden.
    »Ich weiß nicht, warum ich Ihnen hier die Zeit stehle«, sagte ich.
    Ich hatte genügend Geld und führte das Leben eines reichen Globetrotters, und das 1944. Es war nur durch die Vorstellung getrübt, daß es in ein paar Wochen oder Monaten zu Ende sein würde – aber heute war heute, und am Abend hatte ich ein Rendezvous mit einer hübschen Stockholmerin.
    »Ihr Vater weiß, was er will«, sagte Gersbach.
    »Mein Vater ist mir wurscht«, entgegnete ich.
    Er betrachtete mich aufmerksam; zum erstenmal fiel mir auf, wie schwermütig seine Augen waren, wie vital sein Interesse.
    »Haben Sie ihm das auch gesagt?« fragte er.
    »So ungefähr«, antwortete ich. »Man soll seinem Wohltäter nicht mit allzu groben Worten kommen.«
    »Halten Sie nichts von Ihrem Vater?«
    »Ich kenne ihn zu kurz«, entgegnete ich. »Was haben Sie übrigens mit ihm zu tun?«
    »Geschäftlich«, antwortete er. »Schindewolff war mein Teilhaber. Er hat mich fertiggemacht und dann aus der Firma gedrängt.«
    »Das sieht ihm ähnlich«, entgegnete ich.
    Gewiß hatte Gersbach Verwandte in Deutschland und machte eine Menge mit. Es war kein Wunder, wenn er an einer Art Gehirnerweichung litt.
    »Das war vor neunzehnhundertdreiunddreißig«, fuhr Gersbach fort.
    »Und?«
    »Dann kam die – wie sagen Sie – die

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