Auf dem Weg nach Santiago
Pilger von Aurillac:
Quand fuguerem lai en Beianha
Proch elpaeis de las Espanhas
Calg cambiar bona penonha
Per moneda molt ronha . 34
Als wir unten in Bayonne waren,
Ganz nah an der spanischen Grenze,
Mußten wir unser gutes Geld
Gegen sehr schlechte Münze eintauschen.
Die schon in Texten aus dem 11
.Jahrhundert verurteilte »Schur« der Pilger muß recht einträglich gewesen sein.
1345 bittet der Dekan der Kirche von Lugo um eine Ermäßigung seiner Steuer,
falls der Krieg zwischen Frankreich und Spanien wieder aufflammen sollte, weil
dann die Wege gefährlich werden und der Strom der Santiagopilger versiegt und
damit auch die Einnahmen.
»Alle fremden Völker«, schreibt Aymeri
Picaud, »aus allen Teilen der Welt kommen in Mengen hierher [nach Compostela]
und bringen dem Herrn ihre Opfergaben .« 35 Drei Jahrhunderte später bemerkt der in den Diensten von König Karl VII.
stehende Gilles le Bouvier, Berry genannt, daß »dort, wo man den heiligen
Jakobus verehren will, [...] ein Erzbischof lebt, der sehr reich ist wegen der
großen Beiträge der Pilger, die aus allen christlichen Königreichen
hierherkommen«. 36
Während dieser drei Jahrhunderte,
zwischen 1100 und 1400 also, entwickelte sich Compostela, ein mächtiger
Anziehungspunkt, um seine riesige Kathedrale herum zu einer bedeutenden und
blühenden Stadt. Im Jahre 1095 hatte der Cluniazenser-Bischof Dalmatius die
Erlaubnis erwirkt, den Bischofssitz von Iria hierher zu verlegen. Nach ihm
beruft sich Diego Gelmirez, ein anderer Cluniazenser, auf den Zulauf an
Pilgern, um vom Papst den Titel eines Erzbischofs zu erlangen; in kluger
Voraussicht fördert er die Verehrung des Apostels Jakobus und wird mächtig
genug, um auf eigene Kosten die erste spanische Flotte gegen die Moslems
ausrüsten zu können; als Haupt der Kirche von Compostela ist er auch der erste
Vasall des Königs von Kastilien und ein erfahrener Verwalter zahlreicher
Schenkungen an Land und Geld seitens der Pilger. Die Bedeutung, die er
Compostela zu geben vermag, trägt dazu bei, diesem Grab am Rande der Welt eine
unvorstellbare Ausstrahlung zu verleihen. Auch die Errichtung von Klöstern,
Hospizen, Wirtshäusern und die Anlage von Marktflecken am camino francés gehen auf seine Initiative zurück.
fünftes kapitel
PILGERALLTAG
Bonnecaze kommt knapp davon — Schlaflos vor
Schmerzen — Wer wandert, betet — Jesus,
den ich liebe — Lachen
beim Requiem — Aymeri
Picaud liebt die Navarresen nicht — »Eyn
Schloß heist Fritz« — Kleine
Toilette — Muschelbrüder und falsche Pilger — In den Händen der Barbaresken — Streitereien
D er kleine Béarnese Bonnecaze hat in
Navarrenx für zwölf Sols seine Baskenmütze verschachert und einen Hut für
dreißig Sols gekauft. Er überquert die Pyrenäen, erreicht Roncesvalles, wo der
Schnee ihn und seine drei Freunde Gomer, Laplace und Petrique in der Herberge
festhält. Er besichtigt »die Sporen und den Säbel Rolands« und stärkt sich
gerade, als er sich plötzlich umstellt sieht: »Ein kleiner Trupp Soldaten kam
daher [...], um zu sehen, ob sich kein Franzose fände, den man zum
Militärdienst einziehen könnte. Und da ich ihre Sprache nicht verstand,
beredeten sie sich untereinander und erwogen die Mittel, mich zu verpflichten,
denn sie meinten, ich sei jung und kühn für den Dienst und anscheinend recht
gesund. Sie fragten mich, ob ich schreiben könne; ich verneinte .«
Ein Pilger aus Auch übersetzt Bonnecaze
die Unterhaltung der Soldaten und warnt ihn vor der drohenden Gefahr. Aber die
Soldaten lassen von dem jungen Mann noch nicht ab. Sie schlagen ihm vor, seinen
neuen Hut gegen einen der ihren umzutauschen, den sie ihm damit reichen; er
solle ihn ruhig einmal versuchen. Bonnecaze weigert sich abermals und bittet
seine Freunde, sich zur Flucht bereitzuhalten. Das tun sie auch. Sobald die
Soldaten den Rücken kehren, um zum Essen zu gehen, suchen alle das Weite.
Der Schnee reicht ihnen bis zu den
Knien. »Dieser Gewaltmarsch in Kälte und Schweiß machte mich krank; ich bekam
Nasenbluten, und auch aus dem Mund kam mir das Blut .« Ein italienischer Pilger, dem sie begegnen, hilft ihm: »Er sagte zu mir, mein
Pilgersack verursache dieses Bluten; er machte mir Riemen daran, damit ich ihn
auf dem Rücken tragen könne, ohne daß mir das Band über die Brust liefe. Das
Bluten hörte auf, und ich konnte leichter gehen. Trotzdem fühlte ich mich sehr
geschwächt; ich konnte mich kaum
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