Auf dem Weg zu Jakob
ich es versucht und bin bereit, aufzugeben. Die beiden Männer wollen am nächsten Tag ausruhen und nur eine ganz kleine Etappe bis ins ca. 45 km entfernte Logroño fahren. Normalerweise fahren sie an die 100 km am Tag. Sie bieten sogar an, langsam zu fahren, sodass ich mit ihnen fahren könnte, damit ich wieder Mut gewinne. Aber ich will ihnen nicht die Tour verderben, und ich weiß, unter wie viel Druck ich bei der nächsten Steigung geraten würde. Ich würde mich auf etwas einlassen, dem ich körperlich am Ende nicht gewachsen bin. Gut, und wenn ich eine Strecke mit dem Bus fahre, kann ich ja noch immer überlegen, wie es morgen weiter gehen soll. Vielleicht habe ich mich ja nach einem Tag Ruhe etwas erholt und steige wieder auf mein Rad.
Bislang waren wir die einzigen Gäste in der Campingkneipe, jetzt schmeißt der Mann hinter der Theke plötzlich Discomusik an, und das ziemlich laut. Wir können uns kaum noch unterhalten. Wir bitten ihn, die Musik doch etwas leiser zu stellen. Geht aber nicht, denn die Kids kommen. Wie? Welche Kids. Hier ist niemand. Wir wollen es genau wissen und fragen, wann sie kommen. Recht cool bleibend, und auf das spanische Temperament anspielend, erwidert der Thekenmann „Mañana“ und grinst sich einen. Wir müssen lachen. Und da kommen auch schon die ersten Teenies, fein zurecht gemacht. Kaum sind erst fünf von ihnen im Raum, wird auch schon wild getanzt. Wir schauen einen Moment lang zu, beschließen dann aber, dass es für uns schon spät ist und wir uns aufs Ohr hauen.
Draußen hat es sich etwas abgekühlt, gut zum Schlafen. Ich krieche in mein Zelt. Soll ich das Zelt nach Hause schicken, um Gewicht zu sparen und fortan nur in Herbergen übernachten? Und was war gestern? Ist es nicht viel schöner in meinem Zelt? Ich habe Privatsphäre, und Schlafmatte und -sack sind total gemütlich. Als ich mein Zelt zu Hause zur Probe auf dem Rasen im Garten aufgestellt hatte, hatte ich mir ausgemalt, wie es sein würde auf meiner Radtour in meinem kleinen Zelt. Nein, das Zelt kann unmöglich nach Hause geschickt werden. Außerdem erlaubt es mir, kostengünstig zu nächtigen. Und selbst ohne Zelt hätte ich noch immer ganz viel Gepäck all die Steigungen hinaufzutransportieren. Nein, ein Mietwagen muss her.
Ich werde mich trotzdem an meiner Streckenplanung orientieren und mir dann Streckenteile heraussuchen, die ich per Rad abfahre, ohne Gepäck. Hat den Nachteil, dass ich einige Teile des Camino nicht zu sehen kriege, andere dafür doppelt. Beruhigt schlafe ich ein und schlafe die ganze Nacht wie ein Stein.
Mit dem Bus nach Logroño
Der nächste Tag verspricht wieder heiß zu werden. Die beiden Holländer sind schon fast abreisefertig. Anita schläft noch, sie will heute einen Ruhetag einlegen. Bald habe auch ich alles verstaut und am Rad festgemacht. Ich bin fest entschlossen, heute den Bus zu nehmen. Mir tun Arme und Schultern weh vom Schieben. Richtig schlimmer Muskelkater. Am Ortseingang pausiere ich für einen Moment bei San Sepulcro. Das Licht ist wunderschön.
Am Busbahnhof wuselt es schon vor Menschen. Eine kleine Schlange hat sich vor dem Fahrkartenschalter gebildet. Es sind auch einige andere Pilger darunter, aber keiner per Fahrrad. Vielleicht ist das ja die Lösung für mein Problem, möglicherweise kann ich Abschnitte mit dem Bus fahren, andere Strecken per Rad und somit die aus eigener Kraft zu meisternden Strecken einfach kürzen? Die Busse fahren in Abständen von eineinhalb bis zwei Stunden.
Endlich kommt der Bus. Die Ladeluken werden geöffnet und ich verstaue mein Rad. Wir verlassen Estella. Zunächst fahren wir wieder hoch zu dem Kreisel der N-111, an dem ich gestern abgebogen war und biegen ab Richtung Logroño. Irgendwann links liegt der Klosterkomplex Irache .
Auf dem Klostergelände befindet sich eine Weinkellerei. In alter Tradition gibt es hier neben einem Wasserhahn auch einem Weinhahn, dem die Pilger einen Becher voll kostenlos entnehmen dürfen. Bei einem späteren Besuch im Herbst ist der den berühmten Weinhahn umgebende Zaun zu früher Stunde noch abgeschlossen. Das hindert die junge italienische Pilgerin Carmen jedoch nicht daran, hinüberzuklettern und allen Anwesenden die Trinkflaschen zu füllen.
Kaum haben wir Estella verlassen, wirkt die Landschaft rauer. Wir fahren in das Ebrobecken, ein relativ trockenes Gebiet mit kontinentalem Klima, das sich im Regenschatten der umliegenden Gebirge befindet. Den Übergang empfinde ich als
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