Auf dem Weg zu Jakob
Fotoweste bleibt zu Hause, lediglich ein warmer, aber schnell waschbarer und vor allem leichter Pulli ist dabei. Zwei Paar Socken, meine Wanderstiefel und ein Paar ganz leichte Sandalen kämen zum Einsatz. Atmungsaktives Regenzeug und meine Fleecejacke wären wieder dabei.
Da ich mit Sicherheit in einer etwas kühleren Jahreszeit fahren würde, müsste ich dann wohl noch Handschuhe und ein warmes Stirnband für die Ohren einpacken. Da es dann zum Zelten zu frisch wäre, würde auch die Campingausrüstung zu Hause bleiben. Nur den leichten Schlafsack würde ich mitnehmen. Und wenn ich von den Schnarchern in den Herbergen allzu genervt wäre, würde ich mir für die eine oder andere Nacht ein Zimmer in einem günstigen Gasthaus mieten. Bei den Waschsachen würde ich noch stärker auf kleine Größen achten, vielleicht Probepackungen mitnehmen und notfalls unterwegs Shampoo oder so nachkaufen bzw. -füllen. Ein wenig Medizin dabei zu haben war schon gut und darauf würde ich auch nicht verzichten, aber wirklich nur das Allernötigste, denn in Spanien gibt es viele Apotheken.
Auch bei der Fotoausrüstung würde ich abspecken und mich auf ein einziges Objektiv oder eine Kompaktkamera mit Qualitätsobjektiv beschränken und noch gezielter fotografieren, weswegen ich dann auch weniger Filme bräuchte. Ebenfalls wäre ich vorsichtiger, was meine Bordbibliothek angeht. Hotelführer sind sicherlich im Planungsstadium hilfreich, aber ist man unterwegs, sieht man ja vor Ort, wie die Gasthäuser sind und kann die aktuellen Preise und Verfügbarkeiten erfragen. Aber, selbst wenn der Camino gut ausgeschildert ist, würde ich nicht auf Karten verzichten wollen, jedoch würde ich nur den tatsächlich benötigten Ausschnitt aus der Karte herausschneiden und den Rest zu Hause lassen.
Erfolgreiche Fußpilger der unterschiedlichsten Nationen reden davon, dass 10 kg die magische Grenze ist, was das auf längere Zeit tragbare Gewicht angeht. Wenn die damit klarkommen, muss es irgendwie gehen. Also, 10 kg plus Fahrradwerkzeuge und Kettenschloss. Das müsste auch für mich machbar sein. Ich hatte, je nach Wasser- und Lebensmittelvorrat insgesamt zwischen 25 und 28 kg Gepäck auf meinem Rad!
Und noch etwas, was ganz wichtig ist: Training. Ich bin ja Quasi untrainiert auf das Rad gestiegen. Sozusagen von einem Tag zum anderen direkt vom Bürostress aus dem Flieger gefallen, und als untrainierter Flachländer habe ich versucht in ungewohnten klimatischen Bedingungen mir völlig unbekannte Steigungen zu bewältigen. So etwas klappt nicht. Chris und Alex haben ein halbes Jahr lang vor der Tour jeden Abend mindestens 50 km abgerissen, manchmal auch längere Strecken. Anita ist langsam angefangen, hat viele Kilometer Flachland bewältigt, bevor sie dann die Berge erklommen ist.
Die Kathedrale ist wegen Umbauarbeiten geschlossen, aber als ich jetzt bei Santiago el Real vorbei komme, ist sie offen. Ich weiß nicht so recht, wohin mit dem Fahrrad und nehme es mit in den Kirchenvorraum und kette es dort fest. Drinnen ist Messe. Das merke ich aber erst, als ich schon dort bin. Schnell setze ich mich an den Rand einer der hinteren Reihen. Es riecht nach Weihrauch. Der Pastor erzählt etwas, die Leute stehen auf, setzen sich wieder, singen oder beten. Ein alter Mann wieselt hektisch durch das Kirchenschiff, spricht mit einem Gemeindemitglied, rennt dann raus, kommt wieder rein, gibt dieser Person etwas, rennt wieder rum, düst Richtung Altar, macht ein paar Kniefälle, bekreuzigt sich, rennt wieder zur Tür, sieht mich, stürzt auf mich zu, fragt mich, ob ich Pilgerin sei, was er mehr oder weniger automatisch annimmt, denn ich zögere mit meiner Antwort, flitzt raus, kommt nach ein paar Minuten wieder herein und schenkt mir ein selbstgeschnitztes Holzkreuz und einen Rosenkranz. Er sei ein Amigo del Camino, ein Freund des Weges, bzw. Mitglied in der gleichnamigen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Pilgerweg und Pilgerbewegung zu fördern.
Mein Spanisch ist zu begrenzt, um dem Mann zu erzählen, dass mir diese Ehre eigentlich gar nicht mehr gebührt, schließlich habe ich die harte Pilgerarbeit soeben durch Bestellung eines Mietwagens an den Nagel gehängt. Lange Diskussionen während einer Messe sind wohl auch nicht schicklich, also bedanke ich mich bei dem Alten, der sowieso schon wieder neue Pilger ausgespäht hat, auf die er sich jetzt mit demselben Fanatismus stürzt. Etwas suspekt ist mir das Ganze schon und ich stehle mich
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