Auf dem Weg zu Jakob
davon.
In der Parzelle neben mir steht jetzt noch ein Zelt. Eberhard aus Bayern. Er ist zu Hause mit dem Rad losgefahren und hat auch schon etliche Kilometer abgerissen. Er ist ein großer Kerl, so ein richtiger Kraftmeier, der angeblich auf jedes extra Gramm Gewicht verzichtet hat. Er hält meine beiden schweren Fahrradkettenschlösser für übertrieben. So etwas brauche man nur in Deutschland, nicht aber auf dem Pilgerweg - Ansichtssache. Später erfahre ich, dass Eberhard sein Rad samt Gepäck in León verloren hat. Als er sich die Kathedrale anschaute, soll ihm jemand sein nicht angekettetes Rad geklaut haben. Eberhard soll dann notdürftig von einigen Nonnen ausgestattet worden sein, damit er seine Reise nach Santiago wenigstens zu Fuß fortsetzen konnte.
Am nächsten Morgen packe ich bis auf das Zelt alles zusammen und radle in die Stadt, um den Mietwagen abzuholen. In der Ferne sehe ich noch Eberhard. Er hat mindestens genauso viel Gepäck wie ich und müht sich sichtlich ab die Böschung auf der gegenüberliegenden Flussseite hinauf zu treten. Ich hole ihn sogar noch ein mit meinem gepäcklosen Rad und wünsche ihm eine Gute Reise. Ich werde einige Streckenabschnitte ohne Gepäck radeln. Das müsste zu schaffen sein, und vielleicht werde ich so sogar das genießen können, was ich ursprünglich gesucht habe.
Bequem nach Nájera
Punkt 10:00 Uhr bin ich beim Autovermieter. Wie jetzt das Rad verladen? Nach einigem Probieren ist es im Wagen. Ich kreise ein paar Mal unfreiwilligerweise durch verschiedene Einbahnstraßen, bis ich endlich auf Kurs zum Campingplatz bin. Das Zelt ist schnell eingepackt und schon bin ich unterwegs Richtung Navarrete.
Die Stadtausfahrt ist lang und wäre kein Genuss auf dem Fahrrad gewesen. Irgendwann ist die Strecke sogar wieder autobahnähnlich. Am Straßenrand steht ein junger Fußpilger in sengender Hitze und versucht ein Auto anzuhalten. Gerne hätte ich ihn mitgenommen, aber auf dem Beifahrersitz kann man nicht sitzen, da das Rad über die Kopfstütze hängt.
Bald folge ich der Beschilderung zum Naturschutzpark Grajera . Mit dem Auto sind das alles keine Entfernungen. Der Park ist von großer ökologischer Bedeutung, denn hier sollen allein 184 verschiedene Wirbeltierarten und über 200 verschiedene Pflanzenarten leben. Der Pilgerweg führt mitten durch dieses Gebiet mit vielen Picknickplätzen hindurch.
Mein nächster Halt ist in Navarrete , ein kleiner Ort mit nur 2.000 Einwohnern, dessen Hauptwirtschaftszweig heute Töpferei und Keramik ist. Früher einmal hatte der Ort weit größere Bedeutung. Der mittelalterliche Ortskern ist seit 1970 unter Denkmalschutz gestellt. Ich schaue mir die Kirche Asunción de la Virgen (16. Jh.) mit ihrem schönen Barockaltar an und erfreue mich an der modernen Töpferplastik.
Verpasst habe ich am Ortseingang die Reste des Hospizes San Juan de Acre aus dem 12. Jahrhundert, dessen Portal schon Ende de 19. Jahrhunderts Stein für Stein abgetragen und am Friedhof, an dem man beim Verlassen des Ortes auf dem Pilgerweg vorbeikommt, wieder aufgebaut wurde.
In einem kleinen Krämerladen kaufe ich Proviant ein. Ich kann mir jetzt auch endlich wieder einen größeren Getränkevorrat leisten. An der Kasse spricht mich eine ältere Frau an, was denn mit mir passiert sei. Sie zeigt auf meine vielen blaue Flecke. „Vaccaciones con una bicicletta” (Fahrradurlaub) gebe ich zum besten. Es waren nicht nur einfach blaue Flecken, nein, irgendwie hat die ganze Überanstrengung meines untrainierten Körpers dazu geführt, dass kleine Äderchen unter der Haut einfach platzten. Einfach so. Auch in meinen Augen. Das was normalerweise weiß ist, war blutunterlaufen und knallrot.
Die N-120 ist keine Straße, die man sich unbedingt als Radfahrer wünscht. Viel zu viel Verkehr. Selbst das Autofahren ist nicht genüsslich. Schließlich biege ich in eine fast unbefahrene Straße nach Huércanos ab, die durch ein friedfertiges Weinanbaugebiet führt.
Wenig später erreiche ich die alte königliche Residenzstadt Nájera , die auf dieser Seite des Río Nájerilla allerdings ziemlich hässlich aussieht. Erst unten am Fluss wird es besser ( Seite 86). Der Campingplatz, eine ausgediente Stierkampfarena, liegt zentrumsnah. Ich stelle mein Zelt im Schatten der ehemaligen Ställe auf. In der Mitte der Arena hat eine Gruppe Franzosen eine lange Tafel aufgebaut und speist ausgiebig.
Zu Fuß gehe ich in die Stadt, deren alter und interessanter
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