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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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seiner Uniform befestigt hatte.
    Es war ein unheimliches, beängstigendes Gefühl, sich so weit von der Zareba entfernt aufzuhalten. Hier waren nur noch die Geräusche der Wüste zu vernehmen: das jaulende Heulen eines Schakals in der Dunkelheit, das Geflatter eines Nachtvogels auf der Flucht oder auf der Jagd.
    Langsam kriechen, keine losen Steine ins Rollen bringen, ermahnte Patrick sich. Nimm dir Zeit. Sheela-na-gig schützt dich.
    Dann dämmerte ihm plötzlich, dass die kleine Göttin in seinem Tragegeschirr steckte. Es war das erste Mal auf diesem Feldzug, dass er von ihr getrennt war. Der entsetzliche Gedanke ließ seinen Körper vor urtümlicher Angst erzittern. Er hatte den Talisman nicht bei sich, der ihn, wie er mittlerweile fest glaubte, am Leben erhielt.
    Ganz still daliegend, überlegte er, ob er in die Sicherheit der Zareba zurückkehren sollte. Alles hatte seinen Sinn verloren. Panik stieg in ihm auf, und um ein Haar hätten seine Ängste die Oberhand gewonnen. Nein. Nachdem er so weit gekommen war, würde er nicht umkehren. Für einen gebildeten Mann war es dumm und unlogisch zu glauben, dass unsichtbare Kräfte sein Leben lenkten, dass ihn ein Götzenbild aus Stein und die Worte eines schönen Mädchens am Leben hielten!
    Da … Am nur wenige Meter entfernten Horizont bewegte sich der Fels! Nein, nicht der Fels, sondern Kopf und Schultern eines Mannes. Seine extreme Vorsicht war also gerechtfertigt gewesen.
    Die Augen dicht über dem Boden haltend, blieb Patrick völlig bewegungslos liegen und beobachtete, wie sich der Derwisch-Scharfschütze in der Dunkelheit bewegte. Offenbar fühlte sich der Mann ziemlich sicher. Patrick musste ihn ausschalten und den anderen Scharfschützen zum Basislager mit ihrer Hauptstreitmacht folgen. Sobald er dessen Standort kannte, würde er umkehren. Anhand seiner Koordinaten konnten die Geschütze dann so eingestellt werden, dass ein gezieltes Artilleriebombardement möglich war. Die explodierenden Granaten würden dem Feind eine gründliche Lektion erteilen und gleichzeitig zeigen, dass es tödlich sein konnte, sich der Zareba bei Nacht zu nähern.
    Kopf und Schultern verschmolzen mit dem Fels, als der Krieger die lange Steinschlossflinte aufstützte, um den ersten Schuss in das britische Lager hinein abzugeben. Vermutlich dachte er noch darüber nach, ob sein Schuss unter den Briten ein Ziel finden würde, als Patrick wie eine zustoßende Schlange vom langsam kühler werdenden Boden emporschoss. Das Messer bohrte sich in die Brust des Schützen. Vor Schmerz aufkeuchend, sackte er zusammen und sank zu Boden. Es sollte der letzte Laut sein, den er von sich gab.
    Patrick zog das Messer aus der Leiche, hatte jedoch keine Zeit, sich zu dem höchst erfolgreichen Hinterhalt zu beglückwünschen. Mit entsetzlicher Klarheit wurde ihm bewusst, dass er nicht allein war.
    Überall um ihn herum wuchsen Schatten aus der Erde. Zehn, vielleicht zwanzig Krieger sprangen auf, entsetzt über das plötzliche Auftauchen dieses bösen Wüstengeistes, dessen tödlicher Zorn sich gegen sie wandte. Als Patrick Sekunden vorher zugeschlagen hatte, hatten sie noch lautlos hinter der Felskuppe des Scharfschützen gekauert und gewartet, dass es Zeit wurde, ihre eigenen Stellungen einzunehmen.
    »Herr im Himmel!«, schrie Patrick verzweifelt angesichts dieser unerwarteten Bedrohung. Instinktiv riss er den Revolver hoch, um blindlings in die nur wenige Meter entfernte Masse der Krieger zu feuern.
    Die von seinem unerwarteten Auftauchen überraschten Derwische reagierten langsam. Zwei von Patrick aufs Geratewohl abgegebenen Schüssen fanden ihr Ziel; die Männer stöhnten vor Schmerzen und brachen zusammen. Als er das Magazin leer geschossen hatte, wirbelte Patrick auf dem Absatz herum und lief die Kuppe hinunter in die Wüste hinaus, weg von seinen eigenen Linien.
    Nur die äußersten Posten hörten das schwache Knallen, das in der stillen Nachtluft zu ihnen herüberdriftete – und die nahmen an, dass die kurze Salve von ein paar verrückten Eingeborenen stammte, die in den Bergen ihre Gewehre abfeuerten. Als der Morgen graute, meldeten sie die Angelegenheit nicht; viel wichtiger erschien ihnen, dass das Feuer der Scharfschützen während der Nacht aus viel größerer Nähe gekommen war als sonst und bedrohlich tief ins Innere der Zareba reichte.
     
    Am Morgen meldete Private Angus MacDonald, dass der junge Captain nicht zurückgekehrt sei. Major Hughes entsandte einen Erkundungstrupp aus

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