Auf den zweiten Blick
schleppten die Möbelstücke an die Tür und fragten jedesmal: »Wohin damit?« Als sie ins Wohnzimmer kamen, kickte Will die überzähligen Kisten beiseite. Er steckte seinen brandneuen Fernseher und Videorecorder aus und wartete darauf, daß die Möbelpacker das Teakholz-Entertainment-Center hereinbrachten. Er hatte es nur wegen des Namens gekauft: Entertainment-Center. Klang irgendwie, als hätte man zu Hause ständig eine Party, selbst wenn man allein war.
Der Recorder war ein Spontankauf. Er konnte sich nicht vorstellen, wie man in der Hauptstadt des Films ohne einen auskommen sollte. Er hatte keine Ahnung, wie man die Uhr stellte, und er würde ganz bestimmt nicht das Bedienungshandbuch durchlesen, bloß um das herauszufinden, deshalb blinkte seit drei Tagen 12:00 von der Anzeige. Heute, Freitag, war sein freier Tag, und wenn die Jungs seine Möbel im Haus hatten, würde er der Reihe nach die folgenden Dinge tun: an seinem neuen Küchentisch eine Schale Cornflakes essen, sich bäuchlings auf sein neues Bett schmeißen, sich auf die Couch lümmeln, mit der Fernbedienung den Fernseher anstellen und dann einen Film anschauen.
Mittag war vorbei, als er in den Laden an der Ecke ging, um sich ein Video auszuleihen. Er suchte nichts Bestimmtes. Die ersten beiden Titel, die ihm einfielen, waren bereits weg. Der koreanische Inhaber hielt ihm eine abgewetzte rote Schachtel hin. »Sie versuchen das hier«, sagte er. »Das gefällt Ihnen.«
Desperado. Will mußte lachen. Ein Film aus den frühen Achtzigern, und Alex Rivers spielte mit. »Scheiße«, sagte er und zog einen Fünfer aus der Tasche. »Ich probier’s damit.« Wenn Rivers so jung war, wie nach den Angaben auf der Schachtel zu vermuten stand, dann war er wahrscheinlich nicht besonders gut, und nach gestern abend hatte Will nichts dagegen, sich auf seine Kosten zu amüsieren.
Er kaufte noch eine Tüte ungesalzenes Popcorn und ging heim. Er setzte sich auf seine neue Couch, schaltete mit der Fernbedienung den Film ein und spulte im Schnelldurchlauf durch die Werbespots und Vorschauen. Als Alex Rivers das erste Mal auf den Bildschirm trat und ein Jaulen ausstieß, das wie Sioux-Kriegsgeheul klang, schnaubte Will und schleuderte eine Handvoll Popcorn auf den Fernseher.
Er wußte nicht, worum es in dem Film ging, aber er erinnerte sich an die vielen Kontroversen, die er hervorgerufen hatte. Die Stammeszeitungen waren voll damit gewesen, und die Meinungen absolut zweigeteilt: Klagen über die Ungenauigkeiten, Lob für die Darstellung indianischen Familienlebens und für das Engagement indianischer Schauspieler. Will schaute sich den Film an, bis die Schauspielerin, die Alex Rivers’ Schwester spielte, einen schmucken Mandan-Sioux heiratete. Sie war klein und blond, und ihr Gesicht sah fast genauso aus wie das, das Will als Teenager vor sich gesehen hatte: wenn er sich nachts im Haus seines Großvaters unter der Decke herumgewälzt hatte.
»Scheiß drauf«, sagte Will. Er hackte auf einen kleinen roten Knopf auf seiner Fernbedienung und verfolgte hochzufrieden, wie Alex Rivers’ Bild zappelte und verschwand, bevor der Videorecorder das Band ausspuckte. Er setzte sich auf und kippte dabei das Popcorn auf die Couchpolster. »Die haben doch keine Ahnung«, knurrte er. »Machen diese Scheißfilme und haben keine Ahnung.«
Er schaltete auch den Fernseher aus und starrte ein paar Sekunden auf den Bildschirm, bis der Schnee vor seinen Augen zu tanzen aufgehört hatte. Er blickte auf die Videohülle, die auf dem Boden lag. Dann ging er zu den beiden Kisten, die er für die Möbelpacker beiseite geräumt hatte. Er machte die oberste auf und wühlte in dem Zeitungspapier, das Cassie zwischen die Sachen gestopft hatte, als er sie so nachlässig hineingeworfen hatte.
Er zog das Medizinbündel heraus, das seinem Ururgroßvater gehört hatte, der - wie sein Großvater - vom Elch geträumt hatte, und daraus bestand das Bündel auch. Will betastete die Fransen; das Leder des Beutels selbst. Elchträumer waren früher hoch geachtet unter den Sioux. Die Leute hatten sich an sie gewandt, wenn sie den Menschen suchten, den sie lieben sollten.
Will kannte einen Typ in der Reservatspolizei, der eine Weiße geheiratet hatte, in den Ort Rine Ridge gezogen war und das Little-League-Baseballteam seiner Kinder trainierte. Wie alle Bullen hatte er eine Waffe, aber er hatte immer auch ein Medizinbündel bei sich. Kaum zu glauben, aber er hatte das Ding jeden Tag dabei, um seinen Halfter
Weitere Kostenlose Bücher