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Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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auf dem Cover war ich schlichtweg süchtig. Meine Lektüre war mir so peinlich, daß ich die Bücher in braunes Packpapier schlug wie die Schulbücher in der Grundschule. Ich las sie im Bus oder auf den Bänken vor der Uni und tat so, als seien es anthropologische Abhandlungen oder ein preisgekrönter Roman.
    Ich konnte einfach nicht anders. Ich wußte, daß die psychologische Erklärung dafür irgendwie mit einem Mangel in meinem Leben zu tun hatte, aber das war mir egal. Ich hatte vor ein paar Jahren damit angefangen, nachdem Ophelia, meine Mitbewohnerin, in den Armen eines Bodybuilders für das Cover eines Romanes posiert hatte. Ich las das Buch, und dann konnte ich nicht mehr aufhören. Irgendwie war es tröstlich zu wissen, daß in keinem Volk und keiner untergegangenen Rasse solche Menschen gelebt hatten. Dadurch fühlte ich mich, nun ja, etwas normaler.
    Wahrscheinlich machte ich mir nichtsdestotrotz immer noch Hoffnungen. Aber wenn so ein Liebesroman wirklich einmal wahr werden sollte, dann mit jemand wie Ophelia in der Hauptrolle. Sie war schön, geschmeidig und sexy - nicht schlicht und pragmatisch wie ich. Es wäre bestimmt schön gewesen, eine jener Frauen zu sein, wegen der sich ganze Völker bekriegten, aber diesbezüglich machte ich mir keine Illusionen. Bis dato trug kein Ritter meine Farben, und kein Abenteurer hatte Zeit und Raum durchkreuzt, um mich zu finden. Noch dazu lebte ich in L. A., wo schöne Frauen die Norm, nicht die Ausnahme waren. Andererseits gab es in diesen Büchern auch keine Schönheitsoperationen, kein Make-up, keine Aerobic-Kurse. Ich dachte an die schöne Helena, an Petrarcas Laura und fragte mich, ob sie tatsächlich so viel anders ausgesehen hatten als ich.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ein Stimme. »Ihr Zelt steht mir im Bild.«
    Ich fuhr zusammen und drückte das Buch automatisch möglichst tief in den weichen roten Sand. Mein Kopf schoß hoch, und ich blickte auf zwei männliche Silhouetten vor der hochstehenden Sonne. »Wie bitte?« fragte ich und stand auf.
    Die Männer waren bestimmt keine Einheimischen; ihre Stirn war so verbrannt, daß sich die Haut abschälte, und sie waren so unvernünftig, keine Hüte zu tragen. »Sie sind im Bild«, erklärte der Größere. »Sie müssen weg hier.«
    Ich stellte die Stacheln auf. »Da muß ich Sie leider enttäuschen«, antwortete ich. »Dieser Abschnitt gehört der Universität von Kalifornien.«
    Der Mann warf entnervt die Hände hoch und drehte mir den Rücken zu.
    Der zweite hielt mir die Hand hin. »Ich heiße George Farley«, sagte er. »Ich bin A. D.« Er deutete über seine Schulter. »Edward ist unser D. P.«
    Ich lächelte ihn unsicher an. A. D., D. P. »Cassandra Barrett.« Ich konnte nur hoffen, daß das die angemessene Erwiderung war.
    George deutete mit dem Arm in Richtung Schlucht. »Wir drehen hier einen Film, und als Edward heute die großen Schwenks drehen wollte, ist ihm ständig Ihr Zelt ins Bild gekommen. Wissen Sie, wir dachten, zu dieser Jahreszeit seien wir allein hier.«
    Ein Film? Wie sie in Tansania an eine Dreherlaubnis gekommen waren, war mir schleierhaft, aber ich konnte mir vorstellen, daß sie viel Geld sparten, wenn sie die verlassenen Ausgrabungsstätten am Rande der Serengeti nutzten, statt sich selber welche zu planieren. »Tut mir leid«, sagte ich, »aber ich muß Sie enttäuschen. Ich habe zu tun.«
    »Sag ihr, sie soll wenigstens das Zelt wegtun.«
    Der Kameramann - der D. P. - hatte sich dabei nicht mal umgedreht, und ich ballte die Fäuste vor Wut. »Das geht leider nicht«, gab ich sarkastisch zurück. »Es ist zu heiß, um ohne Plane zu arbeiten.«
    »Arbeiten?« Der Kameramann fuhr herum, und auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. George Farleys Augen leuchteten auf, als sei er eben auf Gold gestoßen. »Sie sind Anthropologin?«
    Wider besseres Wissen nickte ich.
    »Ach«, seufzte Edward, »es gibt doch noch einen Gott.«
    George führte mich zu meiner Leinenplane zurück. »Sie sind Anthropologin an der Universität von Kalifornien? Und Sie machen hier Ausgrabungen?«
    »Glauben Sie mir«, sagte ich, »das hier ist eigentlich keine Ausgrabungsstelle.« Ich erklärte ihnen das Ausbildungsprogramm der Universität; die verschiedenen Stellen in Afrika, an denen Feldarbeit eingeübt wurde.
    »Das heißt, Sie müssen nicht wirklich arbeiten«, drängte George. »Sie haben vielleicht… ein bißchen Zeit übrig.«
    »Vielleicht«, antwortete ich.
    »Dreihundert Dollar am Tag«,

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