Auf den zweiten Blick
mein Gesicht an seiner Brust, aber selbst mit geschlossenen Augen konnte ich das Bild der über sechzig Leute, die sich am Flughafengate drängelten, Alex am Ärmel zupften, Fragen stellten, kreischten und Fotos von dem frischverheirateten Paar schießen wollten, nicht ausblenden. Ich atmete tief ein, roch die Seife aus dem Hotel in Kenia, den warmen, würzigen Geruch seiner Haut, und grub meine Finger in seine Seite. Augenblicklich drückte er mich fester an sich. »Nur noch zehn Minuten«, flüsterte er und fuhr mit den Lippen über meinen Scheitel. »Nur noch zehn Minuten, dann sitzen wir sicher in einem Auto.«
Ich holte tief Luft, richtete mich auf und nahm mir vor, mich so zu verhalten, wie sich Alex Rivers’ Frau meiner Meinung nach verhalten sollte: kühl und unnahbar, nicht wie ein halb verwelktes Blümchen. Doch indem ich mich aus Alex’ schützendem Arm befreite, bot ich den Reportern zum ersten Mal mein Gesicht dar.
Blitzlichter flammten auf, bis mir nur noch grelle Punkte vor den Augen tanzten und Alex anhalten mußte, weil ich sonst gestolpert wäre.
»Wann haben Sie geheiratet, Alex?« - »Was hat sie, das die anderen nicht haben?« -»Weiß Sie von Ihnen und Marti Le-Doux?«
Alex stöhnte. »Frag gar nicht erst«, antwortete er.
Ich konnte gerade wieder klar sehen, als sich ein Reporter über die Samtschnur lehnte, die ihn zurückhielt. Er zeigte auf meinen Bauch. »Können wir bald mit einem kleinen Rivers rechnen?«
Alex reagierte so schnell, daß nicht einmal die Kameras mitbekamen, wie er sich auf den Reporter stürzte und ihn am Hemdkragen packte. Ich streckte die Hand nach Alex aus, weil ich dem Reporter zugute hielt, daß er die Frage vielleicht ganz unschuldig gemeint hatte. Aber bevor ich auch nur ein Wort zu Alex sagen konnte, quetschte sich ein Fleischberg an mir vorbei, eine Wolke aus schwerem Blumenparfüm und auftoupiertem, rotem Haar hinter sich herziehend. Die Frau zerrte Alex von dem Reporter weg und verankerte ihn an ihrer Seite, indem sie den Arm um seine Hüfte legte. Dann kam sie zu mir und legte mir ebenfalls den Arm um. »Spiel schön mit den anderen, Alex«, zischte sie, »sonst spielen sie nicht mehr mit dir.«
Alex’ Blick brannte sich in ihr Gesicht, aber er rang sich ein Lächeln für die neugierige Menge ab. »Ich dachte, du würdest eine Pressenotiz rausschicken, Michaela«, preßte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Keine Einladungen.«
Die Frau verdrehte die Augen. »Ist es meine Schuld, daß du mehr Leute anlockst als Gott persönlich?« Sie zwinkerte mir zu. »Da Alex uns offenbar nicht vorstellen will - ich bin Michaela Snow. Ich mache die Öffentlichkeitsarbeit für ihn. Obwohl er, wie Sie gerade gesehen haben, nicht allzu gut auf die Öffentlichkeit reagiert.« Sie wandte sich wieder Alex zu. »Und nur zu deiner Information, ich habe die Presseveröffentlichung rausgegeben - aber du mußt zugeben, daß es einiges Interesse weckt, wenn Amerikas meistgejagter Junggeselle ausgerechnet eine Anthropologin heiratet. Die Boulevardblätter sind schon über dich hergefallen - John hat sie im Auto, falls du was zu lachen haben willst.« Sie sah mich an. »Der Star behauptet, Sie seien eine Königin vom Mars, die Alex mit einem extraterrestrischen Liebesstrahl gebannt hat.« Sie schob Alex ein paar Schritte vor. »Also los«, drängte sie. »Je eher du es hinter dich bringst, desto besser.«
Ich schaute zu, wie Alex auf die Reporter und Kameras zuging, und hörte, wie die Tonbandgeräte surrend ansprangen, als erwarte man eine bedeutende Erklärung. Michaela legte mir den Arm um die Schultern. »Sie werden sich daran gewöhnen«, meinte sie.
Das bezweifelte ich. Ich begriff nicht, wie diese Leute mitten in der Nacht aufstehen konnten, um sich Notizen zu machen und Fragen zu stellen, obwohl sie diese Sache nicht das geringste anging. Plötzlich wünschte ich, ich säße in meinem staubigen Büro an der Uni, wo ich Tage verbringen konnte, ohne daß mich ein Student sehen wollte oder das Telefon klingelte, wo ich nur eine unter vielen war. Mich erschreckte die Vorstellung, daß ich von nun an durch kleine Seitenstraßen gehen, eine Sonnenbrille tragen und meine Rezepte auf einen anderen Namen ausstellen lassen mußte, nur weil ich mit Alex zusammen war. Ich konnte Alex mein Leben lang haben, aber mein Leben wäre nicht mehr wie früher. Diesen Preis mußte ich bezahlen.
Alex trieb mit den Kameras ein erotisches Spiel. Er sah sie genauso an, wie er
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