Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
Ligurien zugesprochen wurde, besaß es lediglich die Küste um Nizza. Seine unbedeutende Marine bewirkte in den ersten Kriegen des Risorgimento wenig und wurde nie in einer Seeschlacht gefordert. Das geeinte Italien allerdings hatte eine extrem lange Küste. Seit das Land vom Ehrgeiz geplagt wurde, zur Großmacht aufzusteigen, begann es mit dem Aufbau einer eindrucksvollenFlotte, obwohl der einzige echte Gegner Österreich war, dessen maritime Geschichte und Ambitionen überschaubar waren. 1866 umfasste die neue Flotte zwölf neue Panzerschiffe und wurde von einem Admiral, vier Vizeadmirälen und acht Konteradmirälen befehligt. Die österreichische Marine war kleiner, langsamer und schlechter ausgestattet; sie besaß nur sieben Panzerschiffe. Hinsichtlich der materiellen Ausstattung waren die italienischen Seestreitkräfte also überlegen. Unterlegen waren sie allerdings in personeller Hinsicht, speziell was die Fähigkeiten der kommandierenden Admiräle betraf.
Der italienische Kommandant war Carlo Pellion, Graf Persano. Anders als Garibaldi, der durch und durch Seemann war, lag dem Piemontesen Persano die Seefahrt weder im Blut, noch hatte er eine Ausbildung als Marinesoldat absolviert. Er stammte aus dem Reisanbaugebiet um Vercelli und konnte nicht einmal schwimmen. Manche glaubten, er habe sich nur deshalb zur Marine gemeldet, weil die Konkurrenz um Führungspositionen geringer war als beim Heer. Seinen raschen Aufstieg verdankte Persano nicht seinen militärischen Verdiensten, sondern seinem Geschick, sich durch Schmeicheleien und Intrigen bei Hofe beliebt zu machen. Er schmeichelte sich bei Cavour ein und schloss sogar mit D’Azeglio Freundschaft, womöglich weil der galante Staatsmann in Persanos englische Ehefrau verliebt war. Persano, eitel, streitsüchtig und nicht selten in Duelle verwickelt, war so leichtfertig wie verantwortungslos. Einmal bat er D’Azeglio, den Ministerpräsidenten, ihm einen falschen Pass auszustellen, damit er im österreichischen Mailand einer Balletttänzerin nachstellen konnte. *198 Sein Freund verweigerte sich.
Persanos Leistungen als Seemann waren mitunter blamabel. 1851 ließ er sein Schiff, mit dem Piemonts Beitrag zur Weltausstellung nach London befördert werden sollte, vor dem Hafen von Genua auf Grund laufen. Zwei Jahre später, noch peinlicher, strandete er erneut, als er die königliche Familie zu einem Jagdausflug nach Sardinien bringen sollte. Offenbar hatte er eine Abkürzung genommen und war dabei auf einen Felsen aufgelaufen, der in seinen Seekarten nicht eingezeichnet war. Er wurde verhaftet und für sechs Monate degradiert, doch das schadete seiner Karriere nicht. 1860 betraute Cavour ihn mit der Aufgabe, Garibaldi zu beschatten und in Palermo und Neapel Unruhen anzuzetteln. Im Herbst desselben Jahres unterstützte er Cialdini bei der Einnahme der zum Kirchenstaat gehörenden Stadt Ancona, indem er den Hafen vom Meer aus beschoss. Im Lauf der folgenden zwei Jahre wurde er Parlamentarier, Marineminister und schließlich als Admiral 1866 mit dem Oberbefehl über die Flotte in Ancona betraut, wo er auf Wunsch der Regierung die Österreicher schlagen und nach dem Fiaskovon Custoza die Ehre und den guten Ruf Italiens wiederherstellen sollte.
Aber Persano war auf ein Gefecht nicht erpicht. Und obwohl er seine Schiffe lediglich von Tarent überführt hatte, behauptete er, sie müssten erst einmal instandgesetzt werden. Die wiederholten Aufforderungen von Agostino Depretis, dem damaligen Marineminister, beantwortete er mit Ausflüchten. Die Flotte sei nicht bereit, die Mannschaften seien nicht ausgebildet, Wasser sei in die Zylinder eingedrungen, mit der Kohle stimme etwas nicht. Und am wichtigsten: Das Panzerschiff Affondatore , das beste und neueste Schiff der italienischen Marine, befinde sich noch auf dem Weg von England, wo es gebaut worden war, nach Italien. Als Depretis ihn aufforderte, er solle die Seeherrschaft über die Adria herstellen, antwortete Persano, er habe keine geeigneten Seekarten dieses einzigen Meeres, wo seine Marine überhaupt eine Seeschlacht führen konnte. Während die Flotte nach ihrer Fahrt von Tarent immer noch überholt wurde, erschien der verwegene österreichische Admiral Wilhelm von Tegetthoff mit seinen Schiffen vor Ancona, feuerte einige Salven ab und wartete darauf, dass die Italiener herauskämen und ihn angriffen. Als sie im Hafen blieben, ohne das Feuer zu erwidern, zog er ab und reklamierte den moralischen Sieg für
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