Auf der Suche nach Tony McKay
am diplomatischsten zu verstehen gibt, dass wir kein Interesse an ihren widerlichen Kaffeebohnen haben, drückt Rosa Staszek zwanzig Euro in die Hand, schnappt sich den Sack Bohnen und sprintet zu dem Lieferwagen.
‘Sag mal, spinnst du,’ schreit Britta ihr hinterher, ‘du glaubst doch nicht im Ernst, dass einer von uns diesen Mist trinken wird!’
Der polnische Trucki steckt zufrieden die zwanzig Euro ein und zusammen mit Staszek schlendert er dann zu seinem kleinen, verbeulten Lkw.
‘Heiko, sag Bescheid, wenn der Liefermensch wieder rauskommt,’ raune ich ihm noch zu, dann schleiche ich mich auch zu dem Lieferwagen, um zu sehen, was Rosa vorhat.
Die rückwärtige Tür ist nicht abgeschlossen und Rosa ist bereits dabei, einen Sack mit CoffeeAllstars-Bohnen zu entleeren, um ihn dann mit den rumänischen Kaffeebohnen wieder aufzufüllen.
‘Ich werde ein paar davon an einen alten Kumpel in Berlin schicken, der hat so eine Art Labor bei sich unter dem Dach. Mal sehen, was der da drin findet,’ sagt Rosa und kippt das Schmugglergut in den offiziellen Kaffeesack.
Ich gucke Richtung Raststätte. Der Lieferant steht in dem Laden mit einem Becher Kaffee in der Hand und guckt zu, wie der Büromensch irgendwelche Papiere ausfüllt.
Da fällt mir ein Karton hinter einem der Säcke auf. Er ist unbeschriftet, aber nur zugeklappt, nicht verschlossen. Ich klappe ihn auf. Innen sind eine Reihe kleiner brauner Flaschen. Ich ziehe eine heraus und zeige sie Britta und Rosa. Auf einem Schild steht ‘Methylsulfanylphenothiazin 10mg/ml’. Wir gucken uns an. Ich stecke zwei Flaschen ein, dann schließen wir die Tür und huschen zurück zu Harrys Mercedes. Der Lieferant kommt aus dem Haupteingang der Raststätte, steigt in den Lieferwagen und macht sich davon.
Im Auto öffnen wir eine der Flaschen und riechen daran. Es riecht ein wenig nach Alkohol, doch ist das wohl die Trägersubstanz. Heiko betrachtet das Label.
‘Du hattest doch Chemie-Leistungskurs,’ sagt Britta, ‘irgendeine Ahnung?’
‘Nee, aber wenn wir das nächste Mal Internetzugang haben, werde ich mal checken, wofür das benutzt wird.’
Rosa guckt triumphierend von einem zum anderen, so als wären mit dem Fund der Flaschen alle hirnrissigen Verschwörungstheorien aller Zeiten auf einmal bewiesen.
‘Wie wär’s mit einem Selbstversuch?’ fragt sie.
‘Nicht so lange wir unterwegs sind. Wir wissen nicht, was das Zeug ist und wie es wirkt. Ich denke, wir sollten warten, bis wir in London im Hotel sind,’ sage ich, ‘und dann kannst du das ja ausprobieren, während wir im Kreis um dich herumsitzen und Notizen machen.’
‘Maggie hat Recht,’ stimmt Britta zu, ‘solange wir unterwegs sind, ist es zu gefährlich. Außerdem sollten wir das nicht gerade offen herumliegen lassen, falls wir an der Grenze raus gewunken werden.’
Ich lege die zwei Flaschen in das Handschuhfach.
Auf der Fähre
Britta hat sich wieder nach hinten zum Schlafen gelegt, ich sitze auch hinten und versuche, leider erfolglos, es ihr gleich zu tun. Rosa fährt.
‘Ich hatte keine Ahnung, dass du bei Pflegeeltern gewohnt hast, damals in der Schule,’ sagt Heiko zu der dunklen Landschaft jenseits des Beifahrerfensters.
‘Wie solltest du auch, ist ja nichts, worüber man auf dem Schulhof quatscht.’
‘Waren die denn ok, deine Pflegeeltern meine ich?’
‘Ich war bei verschiedenen. Die mit dem selbst gemachten Eierlikör waren ok, auch wenn die eigentlich professionelle Hilfe für ihr Alkoholproblem gebraucht hätten. Aber wie die meisten, haben sie eben wegen des Geldes Pflegekinder aufgenommen. Und sie hatten nur einen Platz, also konnte ich nicht mit meinen Brüdern wohnen und habe die nur ein paar Mal im Jahr gesehen.’
Heiko nickt und versucht zu verstehen. Aber dies ist alles so weit von der bürgerlichen Geborgenheit seiner eigenen Kindheit entfernt, dass Rosa die ihre ebenso gut in Uruguay verbracht haben könnte.
‘Muss schwer gewesen sein,’ sagt er schließlich.
‘Hätte besser sein können, aber hat mir auch eine wichtige Lektion erteilt: Hilf’ dir selbst, sonst hilft dir keiner.’
Heiko nickt wieder. ‘Zuviel Hilfe von anderen ist auch nicht immer gut,’ sagt er nachdenklich. Vermutlich denkt er an seine Mutter, durch deren Vermittlung er bei der Volksbank gelandet ist, obwohl er eigentlich andere Pläne hatte. Aber die waren wohl für seine Mutter nicht bürgerlich genug.
Da es mittlerweile mitten in der Nacht ist, kommen wir gut
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