Auf der Suche nach Tony McKay
widerwillig und immer noch wirr in die Kamera starrend abgibt, und wendet sich nun der Kamera zu:
‘It all started in the small town of H. in northern Germany, where a group of pensioners occupied their local post office in a bid to protest against privatisations.’
Auf dem Bildschirm erscheint einmal mehr der Marktplatz von H. und dann die Post. Der Herr Hubert hat aufgehört mit Paketen zu werfen und ist in einem der Fenster sichtbar, wie er mit Dieter und einigen anderen Menschen zusammen Kaffee trinkt, die drei haben augenscheinlich in den letzten Tagen Verstärkung bekommen. Hilde lehnt aus einem der oberen Fenster und schwenkt eine rote Fahne.
‘From the town of H., the unrest spread to Chemnitz, which many people have now started calling Karl-Marx-Stadt again, and to various other smaller towns, mainly in what used to be East Germany.’
Weitere Postfilialen werden gezeigt, wo Menschen, jung und alt, mit Megafonen auf Dachfirsten sitzen und Parolen in Richtung des Polizeiaufgebots grölen, das in unserer Demokratie unweigerlich jede Form des Widerstands begleitet. Der Clip endet und die Kamera zeigt wieder den BBC-Reporter.
‘Whether the rest of the world will believe Mr Stockmeier from the DAX in Frankfurt, who is convinced that there will be no nationalization of private companies, is another matter, the stock indices seem to consider radical political change in Germany a real possibility. Nick Robinson at the Deutsche Aktien-Index in Frankfurt for BBC News.’
Es sind nicht viele Deutsche auf der Fähre, es reisen hauptsächlich Polen und Franzosen auf diesem Weg nach England. Außer uns hat kaum jemand den Nachrichten Beachtung geschenkt, für die Masse ist das nur Rauschen im Hintergrund. Heiko leert das Wodka-Wasserglas in einem Zug aus und Piotr klopft ihm anerkennend auf die Schulter.
‘Endlich passiert mal was. Da hab’ ich seit Jahren drauf gewartet. Wenn das da jetzt wirklich abgeht, dann sollten wir zurückgehen und mithelfen, den Widerstand zu organisieren,’ sagt Rosa nun.
‘Spinnst du,’ sage ich, ‘wenn die Polizei jetzt noch nicht hinter uns her ist, dann bestimmt sobald wir wieder da sind. Außerdem kann Heiko auf keinen Fall zurück ohne gleich in den Knast zu gehen. Und wer weiß, wenn die Chinesen Anteile an der Volksbank haben, dann werden auch die noch hinter ihm her sein.’
Heiko gibt Piotr ein Signal, noch mal nachzufüllen.
Während Piotr sich herunterbeugt, um eine neue Flasche Wodka aus seiner rot-blau-weißen Reisetasche zu holen, knallt er beim Wiederauftauchen gegen das Tablett eines kleingewachsenen Mannes, das dieser direkt über unseren Tisch hält, während er die Nachrichten auf dem Wandbildschirm verfolgt. Piotr sagt ‘Ała,’ woraufhin der Mann sich umdreht und ihm auch noch seinen Rucksack ans Ohr haut. Nicht nur entschuldigt sich der kleingewachsene Mann nicht, er bleibt auch noch genau auf seinem Fleck stehen, guckt Piotr von oben herab an und beginnt ostentativ zu pfeifen.
‘Idiota,’ sagt Piotr.
‘Polack,’ sagt der kleine Mann mit französischem Akzent.
Er pfeift weiter und bewegt sich keinen Zentimeter von der Stelle, wobei sein Gepfeife komplett unmelodiös ist. Was für ein Idiot. In meiner Erfahrung ist es das Beste, Menschen dieses Schlags zu ignorieren, dann gehen sie irgendwann von allein weg, so wie Dornwarzen.
Piotr aber erhebt sich und richtet sich zu voller Größe auf, womit er den Franzosen um gut anderthalb Köpfe überragt. Dieser zwinkert nervös mit den Augen, aber bewegt sich immer noch nicht vom Fleck. Die beiden stehen zusammengedrängt auf einer Fläche von gut einem viertel Quadratmeter.
‘Que?’ fragt Piotr.
Der Franzose schluckt und blinzelt. Dann macht er einen Schritt rückwärts.
‘Vous avez une probleme?’ hakt Piotr nach und macht einen Schritt auf den Franzosen zu.
‘Pas de probleme,’ flüstert dieser, ‘Je suis desole..., terriblement desole...’, woraufhin er sich mit seinem Tablett umdreht und flotten Schrittes das Deck verlässt.
Piotr setzt sich wieder und guckt zufrieden in die Runde.
‘Typowi Francuzi,’ sagt er und schüttelt den Kopf, ‘zero kultury!’
Der Zwischenfall mit dem Franzosen hat uns ein wenig von der problematischen Situation abgelenkt, in der sich Deutschland zur Zeit befindet. Was auch ganz gut so ist, denn mit unseren eigenen Problemen haben wir im Moment genug zu tun, das Letzte was wir da brauchen ist eine “Denk ich an Deutschland in der
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