Auf doppelter Spur
Teufel war ihr einen Schritt voraus. Die einfachste Sache von der Welt, sich in der Menge hinter jemanden zu stellen und mit dem Messer zuzustechen… Ich glaube kaum, dass sie überhaupt wusste, was geschehen war. Nur ein plötzlicher stechender Schmerz – und dann denkt man, man sei wieder in Ordnung. Im Gegenteil. Man steht tot auf den Füßen, ohne es zu wissen… Verdammt, verdammt, verdammt!«, schloss er.
»Hast du alle überprüft?« Ich musste einfach fragen.
Seine Antwort kam schnell und scharf: »Diese Pebmarsh war gestern in London, erledigte was für ihr Institut und fuhr mit dem Zug um 19.40 Uhr nach Crowdean zurück… Und Sheila Webb fuhr mit einem Manuskript zum Überarbeiten zu einem ausländischen Autor, der seine Reise nach New York in London unterbrach. Sie verließ das Ritz etwa um 17.30 Uhr und ging – allein – ins Kino, ehe sie zurückfuhr.«
»Hör zu, Hardcastle«, sagte ich. »Ich hab was für dich. Ein Augenzeuge steht dafür ein. Ein Wäschewagen fuhr am 9. September um 13.35 Uhr vor Wilbraham Crescent Nr. 19 vor. Der Fahrer stieg aus und trug einen schweren Wäschekorb zur Hintertür. Es war ein ungewöhnlich großer Wäschekorb.«
»Wäscherei? Welche?«
»Die Snowflake-Wäscherei. Kennst du sie?«
»Aus dem Handgelenk nicht. Es ist kein ungewöhnlicher Name für eine Wäscherei.«
»Also – geh der Sache nach. Ein Mann fuhr den Wagen – und ein Mann trug den Korb ins Haus – «
Hardcastles Stimme war plötzlich voller Argwohn: »Hast du dir das vielleicht ausgedacht, Colin?«
»Nein. Ich sagte dir doch, dass ich einen Augenzeugen dafür habe. Los, prüf es nach.« Dann legte ich auf, ehe er mich noch weiter ausfragen konnte. Ich hatte noch viel zu tun – und ich wollte dabei nicht in Hardcastles Reichweite sein. Ich musste mein zukünftiges Leben organisieren.
29
C olin Lambs Bericht
Fünf Tage später kam ich um elf Uhr nachts in Crowdean an. Ich nahm ein Zimmer im Clarendon Hotel und ging schlafen. Übermüdet wie ich war, wachte ich erst um drei Viertel zehn auf. Mit dem Frühstück und der Zeitung kam ein großer Umschlag mit dem Vermerk: »Durch Boten.« Das war unerwartet. Nachdem ich eine Weile damit herumgespielt hatte, öffnete ich ihn und fand darin ein Blatt und darauf in großen Druckbuchstaben:
CURLEW HOTEL 11.30
ZIMMER 413
(Dreimal klopfen)
Was hatte das zu bedeuten? 413 – dieselben Zahlen wie jene mysteriöse Uhrzeit. Zufall? – Kein Zufall? Schnell zog ich mich an und war rechtzeitig im Curlew Hotel. Ich nahm gleich den Lift zum vierten Stock und ging zum Zimmer Nr. 413. Nach kurzem Zögern klopfte ich und hörte: »Herein bitte!«
Ich öffnete die unverschlossene Tür, trat ein und blieb wie erstarrt stehen. Vor mir saß der letzte Mensch der Welt, den ich hier erwartet hätte – Hercule Poirot. Strahlend berichtete er auf meine Frage, dass er äußerst bequem in einem Daimler hergefahren wäre – angeblich, weil die Maler in seiner Wohnung seien und weil der Arzt ihm Seeluft verordnet habe.
»Haben Sie mir das geschickt?«, fragte ich und hielt ihm den Brief hin.
»Natürlich – wer sonst? Nein, die Zimmernummer ist kein Zufall, ich habe extra danach gefragt… Es schien mir so angemessen.«
»Und dreimal klopfen?«
»Ich konnte nicht widerstehen. Es wäre noch besser gewesen, wenn ich einen Zweig Rosmarin hätte dazulegen können. Ich dachte auch daran, mir in den Finger zu schneiden und einen blutigen Abdruck meiner Hand an der Tür anzubringen. Aber ich hätte mir eine Blutvergiftung zuziehen können.«
»Vermutlich die zweite Kindheit«, bemerkte ich kühl. »Heute Nachmittag werde ich Ihnen einen Luftballon und ein Stoffkaninchen kaufen.«
»Sie scheinen sich gar nicht über die Überraschung zu freuen – warum denn nicht? Kommen Sie, lassen Sie uns jetzt ernsthaft reden, nachdem ich meinen Spaß gehabt habe. Ich hoffe, Ihnen jetzt helfen zu können. Ich habe den Polizeichef schon angerufen – er war sehr geschmeichelt –, und im Augenblick erwarte ich Ihren Freund Hardcastle… Ich habe vorgeschlagen, dass wir uns zu dritt unterhalten sollen.«
Ich lachte. Vielleicht nannte er es unterhalten, aber ich wusste, wer reden würde – Hercule Poirot!
Hardcastle war eingetroffen. Nachdem der Höflichkeit Genüge getan war, fragte er vorsichtig: »Ich nehme an, M. Poirot, dass Sie alles persönlich in Augenschein nehmen möchten? Der Polizeichef hat mir gesagt, dass ich alle Ihre Wünsche erfüllen soll.
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