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Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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das auch so, vielleicht. Aber nein, wir hockten dagegen auf den harten Fliesen und warteten, den Launen der maskierten Drachenjünger ausgeliefert.
    Ich spielte während dieser Wartezeit. Mit den Augen verband ich die Tausende von dreidimensionalen Porzellanpalmfrüchten, welche die Säulen der Strebebögen schmückten. Ich betrachtete die Schornsteine, deren fein gemeißeltes Gestein Drachenhälse nachahmte, und die Drachenbeine des großen, auf einem Podest stehenden Feueraltars. Ich konzentrierte mich auf die Risse in den kobaltblauen Kacheln der gewaltigen steinernen Abzugshaube über dem Feuer, durch die der Rauch in den Schornstein geleitet wurde. Kritisch beäugte ich die bunten Mosaiksteine auf dem Boden.
    Ich vergaß, dass Sa Gikiro war.
    Als Erstes fiel mir die Stille auf, die Abwesenheit des Lärms, und ich wurde mit einem heftigen Ruck aus meinen Träumereien gerissen. Im selben Moment spürte ich die Anspannung, die im Tempel herrschte. Mutter, Waisi, jeder Mann, jede Frau, die Drachenjünger und jedes Kind saßen oder standen stocksteif da, und ich hatte das Gefühl, dass ich als Einzige nicht den Atem anhielt. Also hielt ich ihn an.
    Die Quelle dieser kollektiven Anspannung war ebenfalls leicht auszumachen: der Cinai Komikon. Der Drachenmeister war jetzt der Einzige im Tempel, der sich bewegte, als er summend die einzelnen Etagen hinabstieg. Vielleicht kam dieses Summen aber auch nur von dem Blut, das in meinen Ohren rauschte.
    Als sich die Kunde verbreitete, rührten sich die Leute vor dem Tempel. Die Menge drängte vor, und jeder Einzelne versuchte, einen Blick zu erhaschen, ohne dabei die Aufmerksamkeit des Drachenmeisters auf sich zu ziehen. Trotz seines bisher noch nie dagewesenen Besuchs in unserer Zone an Sa Gikiro, trotz der Tatsache, dass dieser Besuch einem unserer Clans die Möglichkeit eröffnete, unvermittelt Reichtum zu erlangen, falls einer der Jungen als Schüler des Drachenmeisters gekürt werden sollte. Das Zögern entsprang dem Wissen, dass diese Gekürten beim nächsten Mombe Taro öffentlich ausgepeitscht würden, und zwar mit in Drachengift getränkten Peitschen, und noch weit Schlimmeres ertragen mussten, falls sie überlebten. Sehr viel Schlimmeres.
    Zwar gierten alle nach Wohlstand, aber kein Mann wünschte sich oder seinem Sohn ein solches Los.
    Also drängte die Menge vor dem Tempel vorsichtig näher, bangend, neugierig und voll verzweifelter Hoffnung. Ich fühlte mich wie eingekeilt.
    Der Drachenmeister blieb auf der fünften Etage im Männerabschnitt stehen und schlenderte hindurch; jede seiner Bewegungen wurde von den Jugendlichen verfolgt, die dort saßen. Sie beobachteten ihn wie ein Mungo einen Schatten anstarren würde, der entweder eine Ratte oder eine Kwano-Schlange, eine Mahlzeit oder der drohende Tod sein konnte.
    Plötzlich blieb er stehen, schlug einmal, zweimal, dreimal mit der Hand durch die Luft. Ging in die Hocke und sprang dann mit einem Schrei wieder hoch, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mitten im Sprung wirbelte er herum und landete erneut in der Hocke auf derselben Stelle, nur dass er jetzt in eine andere Richtung blickte.
    Einige Frauen kreischten. Ich auch. Die Jungen in seiner unmittelbaren Nähe zuckten zurück, zur Flucht bereit, wollten wegkrabbeln, sich am liebsten unsichtbar machen. Vielleicht auch nicht. Vielleicht projizierte ich nur meine Ängste auf sie und interpretierte deswegen ihre weit aufgerissenen Augen, ihre offenen Münder und die unter ihren schnellen Atemzügen schwellenden Brustkörbe nicht als Ausdruck der Hoffnung, sondern des Entsetzens.
    Der Drachenmeister verharrte einige Herzschläge lang in der Hocke und drehte dann den geneigten Kopf, hierhin, dorthin.
    Er hat vergessen, wer er ist, dachte ich, sah in seinem Verhalten das einer benommenen Baumratte, die zu Boden gefallen war.
    Mit einem Ruck verflog der Bann, der ihn gelähmt zu haben schien, und erneut schlenderte er weiter, pfeifend. Ja, er pfiff tatsächlich vor sich hin.
    Er schien die Jugendlichen um sich herum nicht wahrzunehmen, doch plötzlich riss er einen am Ohrläppchen hoch. Er blickte in den geöffneten Mund des Jungen, in seine Nase, zog sein unteres Augenlid herunter, um das rosa Fleisch zu untersuchen. Sein Opfer wirkte wie betäubt, albern.
    Den Glasperlen um den Oberarm des jungen Mannes entnahm ich, dass er zu den Glasdrehern gehörte. Ich hatte recht; denn die Frauen der Glasspinner im Frauentrakt rührten sich, als sie ihre Aufregung

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