Auf in den Urwald (German Edition)
etwas Schlimmes passiert.
»Peng!«, rief Edek schnell.
Wilfried schloss die Augen und ließ sich seitwärts auf das Bett fallen.
In diesem Moment flog die Tür auf. »Komm schnell, Edek«, rief Mirja. »Mit Vater stimmt etwas nicht. Er wacht nicht mehr auf. Wir müssen einen Notarzt rufen!«
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D er Arzt packte das Blutdruckmessgerät wieder zusammen und machte ein ernstes Gesicht.
»Es steht nicht gut um Ihren Vater«, sagte er zu Mirja. »Er hat eine hochgradige Alkoholvergiftung. Der Puls geht nur noch flach, die Lage ist insgesamt sehr instabil. Er muss sofort ins Krankenhaus.« Er winkte die Sanitäter herbei, die den leblosen Körper vorsichtig auf die Trage legten. »Wann hat er denn zum letzten Mal getrunken und was?«
»Gestern Abend oder heute Vormittag. Ich habe das gar nicht so mitbekommen. Hier, diese Flasche lag neben dem Bett.«
Der Arzt las das Etikett. »40-prozentiger Alkohol, und davon einen dreiviertel Liter. Ist Ihr Vater alkoholabhängig? Trinkt er täglich größere Mengen?«
Mirja nickte.
»Wir sollten keine Zeit mehr verlieren. Sie können mit uns fahren«, schlug der Arzt vor.
Mirja warf Edek einen ratlosen Blick zu.
»Fahr mit Vater«, sagte Edek, »und mach dir keine Sorgen. Ich mache Kasse und Wilfried macht vorne Wagen.«
Die Sanitäter drängten sich mit der Trage durch die schmale Tür des Wohnwagens und schoben sie in den Krankenwagen.
Mirja folgte dem Arzt, der neben der Trage Platz nahm und ihrem Vater eine Sauerstoffmaske auf das Gesicht legte. Die Sanitäter schlugen die Türen zu und eilten in die Fahrerkabine. Einen Augenblick später fuhr der Wagen mit heulender Sirene über den Kirmesplatz.
Edek schaute ihm nach. Das hatte gerade noch gefehlt. Mirjas Vater im Krankenhaus. Was für ein schlimmer Tag! Erst die zerschnittene Plane, dann das Gespräch beim Jeschke, dann der verrückte Wilfried und das zerrissene rote Tuch. Es ging heute aber auch alles daneben.
Edek ließ die Arme hängen. Es war alles so schnell gegangen. Er hatte Mirja noch nicht einmal einen aufmunternden Blick zuwerfen können. Und wenn mit ihrem Vater etwas schiefging? Wenn er nicht wieder zu sich kam? Edek kramte in seiner Erinnerung, ob er schon mal von einem ähnlichen Fall gehört hatte. Hatte er nicht. Aber hieß es nicht, man könne sich zu Tode trinken? Andererseits ging das bestimmt nicht so schnell. Man würde Mirjas Vater bestimmt im Krankenhaus helfen. Es blieb ihm am Ende nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen. So schwer es auch fiel.
Edek warf einen Blick auf die Uhr. Es war zehn vor zwei, gleich musste das Geschäft geöffnet werden. »Komm, wir machen Geisterbahn auf«, sagte er zu Wilfried, der schon die ganze Zeit schweigend neben ihm stand. »Du arbeitest heute nicht bei ›Toter Mann‹. Ich mache Kasse und du arbeitest bei die Wagen.«
Wilfried stand da, als habe er Edek nicht gehört, und rührte sich nicht.
»Was ist los, Wilfried?«
»Das ist sehr traurig, wenn ein Papa ins Krankenhaus kommt. Dann ist man ganz allein«, sagte Wilfried.
»Ja, das ist traurig. Aber was sollen wir machen? Geschäft muss laufen. Gleich ist zwei Uhr. Jetzt komm ...«
Wilfried fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase und schniefte.
Edek schaute verwundert nach oben. Über Wilfrieds Gesicht liefen tatsächlich Tränen.
»Äh, Wilfried«, sagte Edek, der plötzlich auch einen Kloß im Hals verspürte, »ein großes Junge wie du weint nicht.«
»Doch«, sagte Wilfried.
»Also gut, aber jetzt komm. Ist schon eine Minute nach zwei. Und putz dir Gesicht. Was sollen Leute denken? Dass Edek dich verhauen hat?«
»Nein, dass Wilfried traurig ist, weil Mirjas Vater im Krankenhaus liegt.«
»Er kommt doch wieder raus. Und dann ist alles gut.«
»Ganz bestimmt? Großes Ehrenwort von Gringo Edek?«
»Großes Ehrenwort ...« Edek hob die Hand zum Schwur und lächelte, obwohl ihm gar nicht danach war.
Wilfried trocknete sich mit dem Ärmel die Tränen vom Gesicht und atmete erleichtert auf.
»So ist gut!« Edek klopfte Wilfried auf die Schulter. »Und jetzt machen wir Geisterbahn auf. Du machst vorne die Wagen. Und immer schön lächeln, klar?!«
»Immer lächeln, klar«, sagte Wilfried, verzog seine Mundwinkel grimassenhaft von einem Ohr zum anderen und stakste Richtung Geisterbahn los.
Es war schon spät in der Nacht, als Mirja zurückkam. Sie sah blass aus und hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Und?«, fragte Edek, der schon die ganze Zeit im
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