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Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Waluszek
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Wohnwagen unruhig auf sie gewartet hatte. »Was ist mit deine Vater passiert?«
    »Er liegt auf der Intensivstation.«
    »Und was sagt Doktor?«
    Mirja zuckte mit der Schulter. »Als ich ging, war Papa immer noch nicht bei Bewusstsein. Aber der Arzt meinte, er wäre außer Lebensgefahr und er würde wieder zu sich kommen, wenn man ihm den ganzen Alkohol aus dem Blut gewaschen hat.«
    »Dann ist alles gut!«, atmete Edek auf.
    »Gut?« Mirja verschränkte die Arme, sie fror. »Nichts ist gut. Als ich den Arzt gefragt habe, wann er denn wieder nach Hause könnte, sagte er, das würde schon noch ein paar Wochen dauern. Sie müssten seine Leber erst einmal total entgiften. So schnell ginge das nicht. Ausgerechnet jetzt musste das passieren, als ob wir nicht schon Sorgen genug hätten.«
    »Hab ich heute auch gedacht«, meinte Edek, »aber im Grunde ist alles kein Problem. Ich mache Kasse und Wilfried macht vorne Wagen. Und du kannst immer zu deine Vater in Krankenhaus fahren. Bis ihm wieder geht besser.«
    Mirja lächelte schwach. »Ich weiß. Ohne euch wäre jetzt alles vorbei. Aber wie ich heute an Papas Bett gesessen hab und die vielen Schläuche und Apparate gesehen hab, da dachte ich, das ist wie damals bei Mama. Die sah auch so aus, so blass, so müde. Und kurz danach, da ist sie gestorben. Und ...«
    »Nein, nicht ...« Edek setzte sich zu ihr und nahm sie in den Arm, »deine Papa wird nicht sterben. Deine Papa wird lange in Krankenhaus bleiben. Dort gibt es kein Schnaps, nichts, nur Tee, immer nur Tee. Ich war auch mal in Krankenhaus. Hier« – Edek zeigte auf seinen Bauch – »der blinde Darm war kaputt ...«
    »... der Blinddarm«, verbesserte ihn Mirja.
    »Richtig, Blinddarm. Dann haben sie mir Bauch aufgeschnitten und Blinddarm rausgenommen. Und dann zwei Tage gar nichts zu trinken gegeben. Und dann immer nur Tee, morgens, mittags, abends. Und nach eine Woche bin ich einfach von Krankenhaus weggelaufen. In Schlafanzug! Gegenüber von Krankenhaus war ein Geschäft mit Limonade. Ich hab mir zwei Flaschen gekauft und alle beide sofort ausgetrunken. Als ich wieder zurück in Krankenhaus war, hat Schwester gesagt: ›Edek, du bist böses Kind! Du ziehst jetzt den Schlafanzug aus und bleibst zwei Tage nackt in Bett liegen!‹«
    »Sie hat dir den Schlafanzug weggenommen?«
    »Weggenommen und versteckt! Und wenn ich auf Toilette musste, dann bin ich nackt über Korridor gelaufen und die Leute haben gelacht!«
    »Wie alt warst du denn da?«
    »Neun.«
    »Da wäre ich gern dabei gewesen. Klein Edek läuft nackt aufs Klo ...«, lächelte Mirja.
    »Ist nicht lustig«, meinte Edek.
    »Warum?«
    »Weil nackt ist nicht lustig!«
    »Ich bin als Kind im Sommer immer nackt rumgelaufen. Hinter dem Wohnwagen hat mir mein Papa ein kleines, aufblasbares Wasserbecken hingestellt, da hab ich den ganzen Tag drin geplanscht.«
    »Ist was anderes als nackt in Krankenhaus, wo alle Leute lachen«, meinte Edek.
    »Ja, da hast du recht. Im Krankenhaus ist es etwas anderes.« Mirja wurde wieder stiller und drückte sich fest an Edek.
    »Morgen früh fahr ich gleich wieder hin«, sagte sie nach einer Weile.
    »Kein Problem«, meinte Edek. »Morgen ist Montag, werden nicht viele Leute kommen, wird nicht viel Arbeit sein.«
    »Da täusch dich mal nicht. Wenn eine Stadt die Kirmes bis Montag freigibt, ist oft noch der Teufel los!«
    »Egal, dann gibt mehr Geld in Kasse, besser für uns. Ich habe Handy immer an und du rufst von Krankenhaus an, wie es deine Vater geht. Sonst muss ich bis in Nacht warten ...«
    »Klar, mach ich.«
    »Und es wird alles wieder gut.«
    »Sicher«, sagte Mirja, aber es klang nicht sehr überzeugt.
    »Du glaubst nicht?«
    »Doch. Aber es kommt irgendwie alles auf einmal. Der Jeschke, Papa ... Heute hab ich die ganze Zeit auf der Intensivstation gedacht, dass das alles hier keinen Zweck mehr hat. Meine Mama ist schon tot, mein Papa ist gerade dabei, sich zu Tode zu trinken. Besser, ich suche mir etwas anderes. Ich kann vielleicht irgendwo in einem Laden arbeiten. Richtig gelernt hab ich ja nichts, ich hab noch nicht einmal einen Hauptschulabschluss ...«
    »Nein, Mirja. Das mit Jeschke ist jetzt nicht wichtig. Kommt Zeit, kommt Rat. Du kannst Edek glauben.«
    »Möcht ich schon gern, aber ...«
    »Nichts aber!« Edek gab Mirja einen Kuss. »Und jetzt ist spät. Wir gehen schlafen und morgen ist neuer Tag, sieht gleich alles ganz anders aus!«
    »Ja, du hast recht. Ich bin auch total müde. Schon im Bus sind

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