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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dunkel.
    »Ihr Humor ist gallenbitter, mein Fräulein.«
    »Ich heiße Betty. Betty Kahrmayr. Aus Obersitzenhausen bei Reit im Winkl.«
    »Eine Bayerin in St. Pauli? Ein guter neuer Filmtitel. Würde ich mir schützen lassen.«
    »Es wäre ein trauriger Film. Darum sollten wir Sekt trinken.«
    »Wir?«
    »Sie werfen doch eine Flasche aus?«
    »Für dich, Betty, immer.«
    Sie lächelte wieder. Unergründlich, mit grünen Augen und kleinen weißen Zähnen.
    »Sie haben einen schnellen Verstand. Wie heißen Sie?«
    »Jochen.«
    »Ein ernster Name. Ein seriöser Name.«
    »Das bin ich, Betty.«
    »Kaufmann?«
    »Reeder.«
    »Was?« Ihre grünen Augen wurden groß, rund und ungläubig. Ihr grell bemalter Mund verzog sich wie bei einem weinenden Kind. »Wirklich Reeder? Mit eigenen Schiffen?«
    »Nur mit einem Schiff. Einem Binnenschiff. Das schönste und modernste und schnellste Schiff, das quer durch Europa fährt. Die ›Fidelitas‹.«
    »Das ist Latein?«
    »Ja.« Er nahm das Glas mit Sekt und stieß es gegen das Glas Bettys. »Prost! Auf die Stille Nacht …«
    »Du hast keine Angehörigen?«
    »Nein.« Jochen Baumgart würgte es heraus. Er stürzte das Glas Sekt mit einem Zug hinunter. Er hielt es Betty wieder hin.
    Sie goß das Glas noch einmal voll.
    »Ich habe um drei Uhr Feierabend.« Sie schob den Sekt zu ihm hin und beobachtete, wie er das Glas wieder mit einem Zug leerte. »Solange mußt du warten.«
    Jochen Baumgart grinste.
    »Das ist doch Dummheit, Betty. Du kennst mich nicht – ich bin ein rauher Geselle.«
    Doch das Radio strafte ihn Lügen. Als helle Kinderstimmen zu singen begannen, riß er die Hände empor und legte sie gegen seine Ohren. Sein Gesicht verzerrte sich.
    »Stell die Musik ab!« sagte er grob.
    Über ihren grellrot bemalten Mund flog ein leichtes Lächeln. »So rauh bist du wieder nicht, um deine Kindheit zu vergessen.«
    »Das kann keiner – auch die nicht, die da hinten grölen.«
    Sie nickte.
    Dann warteten sie auf drei Uhr morgens. Sie sprachen wenig …
    Gegen zwei Uhr verließen die letzten Gäste die Bar – schwankend, Weihnachtslieder pfeifend, eine Hafendirne am Arm.
    Weihnachten der Ausgestoßenen.
    »Ich gehe noch etwas an die Luft.« Jochen kletterte von seinem hohen Barstuhl herunter. »Um drei Uhr hole ich dich ab.«
    »Bestimmt?«
    »Bestimmt!«
    Während Jochen Baumgart durch St. Pauli ging, erschienen in der Bar zwei Herren.
    Wer sie unbefangen und ohne Kenntnis ihres wahren Metiers auf der Straße sah, mochte zu dem Schluß kommen, daß diese Herren aus der besten Gesellschaft stammten. Ihre schwarzen Homburg-Hüte waren vollkommen wie die der Bonner Diplomaten, ihre Paletots zeigten den modernen und dezenten Schnitt erstklassiger Schneider, ihre Anzüge, ihre italienischen Schuhe, ihre Nappalederhandschuhe, alles an ihnen war vollkommen und beste Arbeit. Nur die Gesichter waren bei dieser Maßarbeit der Vornehmheit etwas benachteiligt worden – es waren Physiognomien von Galgenvögeln reinster Sorte. Die eckigen Kinnladen, die niedrigen Stirnen, die lauernden Augen unter den sorgfältig geschnittenen Haaren wurden nur gemildert durch die Kleidung. Zweimal zwei Zentner Gaunerei, verpackt in Gentlemen, betraten die Bar und begrüßten Betty Kahrmayr mit einem lauten Hallo und einem herzhaften Klaps auf die Schulter.
    »Bon soir«, sagte der eine. »Einen Whisky.«
    »Bei dir ist ja wirklich Stille Nacht!« lachte der andere. »Komm, räum den Laden auf und geh mit zu Eddy. Da ist noch was los! Ein amerikanisches Kanonenboot hat dort Ausgang!«
    Herbert Willke und Pierre Domaine ließen sich in der Nähe der Bartheke nieder und sahen Betty zu, wie sie den Whisky mit Eis mischte und Sodawasser zu dem Glas auf ein silbernes Tablett stellte.
    »So einsilbig, ma chérie?« fragte Pierre Domaine. Er holte aus der Tasche seines Paletots eine Zigarette mit schwarzem Tabak.
    »Ich gehe nach Hause«, sagte Betty.
    »Ach nee!«
    »Ihr könnt euch den Rummel bei Eddy allein ansehen …«
    »Weihnachtsstimmung, ma petite?!«
    »Vielleicht.«
    »Oder ein Mann, Pierre!«
    »Auch das!«
    »Kinder, Betty entdeckt die Liebe!« Herbert Willke bog sich über den Tisch und lachte. »Ist wohl diesmal ein Kapitän, was? Goldlitzen um'n Ärmel! Aber beruhige dich, mein Kind – Goldlitzen hat er nur da – nicht um die Unterhose! Da ist er wie wir!« Er lachte wieder dröhnend und trank seinen Kognak in einigen kleinen Zügen. Betty räumte die Bar auf.
    »Er ist kein Kapitän. Er ist

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