Auf und ab - Mord in Hellwege
Piloten konnten Geschichten aus ihrer Fliegerlaufbahn erzählen, und jeder versuchte, den anderen zu übertreffen. Die Nichtpiloten saßen mehr oder weniger still daneben, besonders Jasper Fermental, der sich überhaupt nicht an den Gesprächen beteiligte. Einmal wurde auch der Tod Wilhelm Lehmbergs erwähnt, weil Marie Fermental den Vorfall im Zusammenhang mit der Beisetzung ansprach. Doch Kasing lenkte das Gespräch sofort in eine andere Richtung. Er wollte nicht, dass darüber in großer Runde gesprochen wurde, weil der Verdacht, den von Taten hatte, noch nicht in der Öffentlichkeit bekannt war, und Holten wollte niemanden an seinen Gedanken teilhaben lassen. So wurde das grausame Ereignis auch nicht weiter erörtert, und alle waren guter Stimmung, was aber auch ein Verdienst der Kochkunst des Küchenchefs war.
Traditionell wurden als Hauptspeise Bratkartoffeln angeboten, die mit den Beilagen, die Anneliese angesagt hatte, serviert wurden, jeweils mit verschiedenen Salaten und Gemüse der Saison. Die Bratkartoffeln waren stets ein Gedicht und weit über die Region hinaus bekannt.
Im Laufe des Abends versuchte Holten noch einige Male, Werner Riecker zu erreichen, ohne Erfolg allerdings. Schließlich gab er es auf. Er würde am nächsten Tag unangemeldet am Flugplatz erscheinen.
Als sich der Abend dem Ende zuneigte, erschien plötzlich der alte Hermann mit einer Mütze der Luftwaffe auf dem Kopf und einer Gitarre in der Hand in der Gaststube. Er stellte sich zu ihnen an den Tisch und brachte ihnen ein Ständchen, und zwar › Flieger, grüß ‹ mir die Sonne in bester Hans-Albers-Art. Alle waren begeistert, und das gesamte Lokal applaudierte. Für Vorführungen in dieser Art war das Lokal »An der Brücke« berühmt und berüchtigt.
Der Abend endete mit einem Glas aufgesetzten Schlehenschnaps für jeden, das der Chef persönlich an ihrem Tisch kredenzte.
»Vom Haus«, erklärte er.
»Damit ihr auch Kraft für den Heimweg habt. Die Schwalben tanken auch immer Schlehen, wenn sie in den Süden fliegen. Habt ihr noch nie gesehen, dass die im Herbst immer in den Schlehenbüschen sitzen?«
»Doch, doch.«
Alle nickten zustimmend.
Sie waren die letzten Gäste, und Hermann und Lupo begleiteten sie noch ein Stück, wobei er ihnen noch einige haarsträubende Geschichten aus seiner Seefahrerzeit erzählte.
Sie verabschiedeten sich und waren alle in bester Stimmung. Kasing war so guter Laune, dass er vergaß, Holten nach seinen Fortschritten in seinem Fall zu befragen, und der war froh darüber, denn nach dem Erlebnis mit Cornelius von Taten wollte er im Grunde nur noch seine Frau an seinen Überlegungen und Gedanken teilhaben lassen.
SCHERWIND
Was kann es Schöneres geben als einen beginnenden Spätsommertag draußen in der Natur? Man ist noch im Dunkeln angekommen, damit man nicht beobachtet wird. Um einen besseren Ausblick zu haben, sucht man sich einen Platz auf erhöhter Warte, auf einer Anhöhe, auf einem Baumstamm oder sogar auf einem Hochstand am Waldrand, und beobachtet die langsam erwachende Natur, die sich gemächlich aus dem Zwielicht der Dämmerung erhebt. Alles Pflanzliche erweckt den Anschein von Jungfräulichkeit und Frische, obwohl sich die Phase des Wachstums in dieser Jahreszeit bereits dem Ende zuneigt. Schaut man ein wenig genauer hin, erkennt man bereits die Anzeichen des Welkens und Vergehens, noch genießen jedoch alle Geschöpfe diese wunderbare Zeit. Die Pflanzen zeigen ihre schönsten Blütenfarben oder tragen eine Fülle von Früchten und Samen, die Tiere sind gesund und wohlgenährt.
Noch ist nichts von der Geschäftigkeit des Tages zu bemerken. Man könnte meinen, man wäre der einzige Mensch auf Erden. Kein Traktor auf den Feldern, kein Auto auf den Straßen, kein Flugzeug am Himmel stört die Ruhe. Man selbst ist auch ganz leise, um nicht als menschlicher Eindringling in dieser besonderen Welt, die nur während einer halben Stunde des Tages existiert, erkannt zu werden, und um den Zauber dieser Stunde nicht zu zerstören.
Allmählich wird die Tierwelt wach, ein Bussard schwingt sich von seinem Schlafbaum und fliegt mit schwerem Flügelschlag dicht über dem Boden zu einem Weidepfahl, der ihm als Ansitz dient. Ein Amselhahn beginnt sein Lied, bald ein zweiter, und in den Wipfeln der Fichten ist das feine Stimmchen des Goldhähnchens zu hören. Gegenüber, auf dem abgeernteten Weizenfeld kaum auszumachen, trippelt ein Trupp Rebhühner über den Acker auf der Suche nach übrig
Weitere Kostenlose Bücher