Auf verlorenem Posten
selber zu bauen. Tatsächlich werden sie auf kurz oder lang herausfinden, wie man schwerere Waffen und, bei Gott, auch Artillerie, die diesen Namen verdient, bauen kann. Uns bleibt nichts anderes übrig, als den Stadtstaaten beizubringen, wie man diese verdammten Dinger macht, damit sie sich verteidigen können, wenn wir ihre Sicherheit nicht mit Waffen von Außerwelt garantieren wollen! Am schlimmsten aber ist, daß meine Gerichtsmediziner glauben, daß die Medusianer, die Matt getötet haben, bis zu den Atemschlitzen voll waren mit Mekoha – und zwar dem Mekoha von Außerwelt, auf das wir bisher nur auf der anderen Seite der Mossybacks gestoßen sind.«
»Aber … wieso?« fragte Honor langsam. »Ich weiß es nicht«, seufzte Dame Estelle. »Ich weiß es einfach nicht. Ich kann mir kein einziges Handelsgut auf diesem Planeten denken, das eine Investition dieser Größenordnung wert wäre, Honor. Nicht ein einziges. Und das«, schloß sie leise, »macht mir am meisten von allem Angst.«
Das leise Geräusch des Summers schwoll immer stärker an. Andreas Venizelos fuhr mit einem halberstickten Fluch aus dem Schlaf hoch, als es in eine Folge abrupter, unregelmäßiger Lärmausbrüche ausartete, die unter Garantie noch Tote geweckt hätten. Der Lieutenant kam auf die Beine und rieb sich den Schlaf aus den Augen, während er durch die dunkle Kabine torkelte. Er schrie auf, als er mit einem nackten Zeh gegen ein unsichtbares Hindernis stieß, und hüpfte auf einem Bein weiter. Auf den Stuhl vor dem Comterminal fiel er mehr als er sich setzte. Der Summer kreischte immer noch, und Venizelos warf einen wütenden Blick aufs Chrono. Zwei Uhr fünfzehn! Er war noch nicht einmal drei Stunden im Bett gewesen.
Das, sagte er sich schnaubend, sollte lieber wichtig sein.
Er fuhr mit den Fingern einer Hand durch das abstehende, zerzauste Haar und hieb mit dem Daumen auf den Audioknopf. Er wollte in diesem Zustand auf keinem Comschirm erscheinen.
»Ja?« Er fauchte das Wort nicht ganz. »Andy?« fragte der dunkle Bildschirm. »Hier ist Mike Reynaud.«
»Captain Reynaud?« Venizelos setzte sich aufrecht hin. Die Müdigkeit fiel von ihm ab, und er runzelte die Stirn.
»Es tut mir leid, Sie aus dem Bett zu reißen«, fuhr Reynaud schnell fort. »Ich weiß, daß Sie erst vor ein paar Stunden nach Hause gekommen sind. Aber wir hatten hier etwas, worüber Sie Bescheid wissen sollten.« Der ALD-Kommandant klang besorgt, vielleicht sogar ängstlich. Venizelos’ Stirnrunzeln vertiefte sich.
»Was denn, Sir?«
»Ein Kurier der Krone kam vor einer Stunde von Manticore hierher und nahm Kurs aufs Systeminnere«, antwortete Reynaud. »Es hat natürlich nicht zur Inspektion beigedreht.« Venizelos nickte; Kurierboote der Krone genossen überall im manticoranischen Weltraum absolute Priorität und absolute Wegefreiheit. »Ich konnte einen Blick auf die Passagierliste werfen.«
Etwas an der Art, wie Reynaud es sagte, weckte Venizelos’ Furcht, doch er biß sich auf die Lippe und wartete ab, daß Reynaud fortfuhr.
»Klaus Hauptmann, Andy«, sagte Reynaud leise. »Ich weiß nicht, was er in einem Kurier der Krone tut, aber er ist hier, auf dem Weg nach Medusa. Nach dem, was mit der Mondragon passiert ist, dachte ich, na ja …«
Der Satz verebbte unbeendet und Venizelos nickte wieder in den blinden Aufzeichner.
»Ich verstehe, Captain Reynaud. Und ich bin dankbar, daß Sie mich unterrichtet haben.« Er rieb sich kurz die Augen, dann holte er tief Luft. »Ich brauche ein paar Minuten, um mich anzuziehen, Sir. Könnten Sie die Comzentrale vorwarnen, daß ich unterwegs bin und nach einem verschlüsselten Kanal zur Fearless bitten werde?«
»Natürlich, Andy.« Die Erleichterung in Reynauds Stimme war deutlich hörbar, und er unterbrach die Verbindung. Venizelos saß bewegungslos da und starrte lange, lange Sekunden auf das schweigende Terminal, während seine Gedanken sich überschlugen.
Ganz egal, wie bedeutend sie waren, Zivilisten hatten an Bord von Kurierbooten der Krone nichts zu suchen. Aber Klaus Hauptmann war nicht irgendein Zivilist. Es wäre wahrscheinlich sehr schwierig gewesen, ihm die Passage zu verweigern. Tatsächlich bezweifelte Venizelos, daß irgend jemand in den vergangenen Jahrzehnten gewagt hatte, ›Nein‹ zu Hauptmann zu sagen. Trotzdem war die Frage, wie der Mann hierher gekommen war, längst nicht so wichtig wie die Frage, warum. Venizelos konnte sich nur einen Grund denken, warum der Magnat hierherkommen
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