Auf verlorenem Posten
daß er noch gelebt hatte.
Das Exoskelett des Panzeranzuges fing den Aufprall ab, als der Sergeant auf dem Boden aufkam. Er überprüfte sein Display. Es sah gut aus – ein Absprung wie aus dem Bilderbuch. Die Bojen des Trupps glühten in präziser Ausrichtung und schlossen den Gleiter ein. Er brachte sein Pulsergewehr in Anschlag.
»Sharon, Sie sichern nach außen. Bills Gruppe geht mit mir zum Gleiter.«
»Aye, Sarge«, drang Corporal Sharon Hillyards Stimme aus seinem Ohrhörer. Hillyard war so hart wie ein Faß Nägel. Trotz ihrer Jugend hatte sie bereits sieben Dienstjahre hinter sich. Die Erleichterung in ihrer Stimme war dennoch unüberhörbar. »Stimson, Hadley«, rief sie die beiden Plasmagewehrschützen ihrer Gruppe, »ihr geht auf den Kamm im Norden und richtet euch darauf ein, uns Feuerschutz zu geben. Ellen, du und …« O’Brian schaltete ihren Kanal ab und winkte seinem anderen Corporal. Die fünf Angehörigen der zweiten Gruppe flankierten ihn, während er auf das Wrack zuschnitt.
Es sah schlimm aus. Es war tatsächlich sogar viel schlimmer, als O’Brian befürchtet hatte. Der Bordschütze des Gleiters war aus dem zerschmetterten Turm gezerrt worden, und man konnte kaum noch erkennen, daß die verstümmelte, gehäutete Leiche jemals der Körper einer Frau gewesen war. Zum Teufel, dachte O’Brian, es war sogar schwer festzustellen, daß es sich um die Leiche eines Menschen handelte. Er schluckte herunter, was ihm aus dem Magen in den Hals gestiegen war, und ging über den blutgetränkten Boden weiter vor. Sie würden die Gerichtsmediziner brauchen, um die Leichen zu identifizieren, dachte er. Allerdings müßten sie vorher alle Körperteile finden.
Er gelangte an ein Loch, das in der Seite des Gleiters klaffte. Die Audiosensoren seines Panzeranzugs nahmen das Zischen und Knallen überschlagender Schaltkreise auf, aber kein einziges Geräusch, das auf Leben hindeutete. O’Brian holte tief Luft. Dann stieß er seinen gepanzerten Oberkörper durch die Öffnung und blickte auf eine Szene, die an Widerlichkeit nicht zu überbieten war.
Er fuhr zurück und schluckte mühsam. Sein bleiches Gesicht war mit einem Mal schweißüberströmt. Nichts außerhalb der Hölle sollte so aussehen , sagte eine leise Stimme unter dem Schrecken in seinem Kopf. Er schloß kurz die Augen, dann zwang er sich, die Szene erneut zu betrachten. Er versuchte sich einzureden, es sei ein Bild aus dem HD und nicht aus der Wirklichkeit.
Es half nichts. Das Innere des Gleiters war mit Blut bespritzt und verschmiert, als wären darin Wahnsinnige mit Eimern voll davon Amok gelaufen. Konsolen waren zerschlagen und zerschmettert worden. Wohin O’Brian auch sah – überall lagen Teile von Menschen. Der zerhackte, durcheinandergeworfene Wirrwarr aus Gliedern, Rümpfen und augenlosen, abgetrennten Köpfen erfüllte ihn mit etwas Schlimmerem als Grauen, doch er zwang sich dazu, zur Gänze durch die Öffnung zu kriechen. Er bekämpfte seine Gefühle und verbot sich zu denken, verließ sich nur noch auf Instinkt und Ausbildung, und schritt das gesamte Innere des Gleiters ab.
Es gab keine Überlebenden. Während er noch darum kämpfte, den fürchterlichen Alptraum, der sich ihm darbot, nicht wahrzunehmen, verspürte er Erleichterung. Erleichterung darüber, das niemand das Schlachtwerk der Stakser miterlebt hatte. Er beendete die Suche mit steinernem Gesicht und wandte sich ab, um mit steifen Beinen aus dem Wrack zu gehen, da durchfuhr ein einziger, furchterfüllter Gedanke seinen Verstand. Mein Gott! Gnädiger Herr im Himmel, was bringt irgend jemanden nur dazu, einem anderen das anzutun, was diesen Leuten angetan worden ist?
Er blieb vor dem Wrack stehen und verriegelte seinen Panzeranzug. Dann konnte er sich gegen die stutzende Kraft des Exoskeletts lehnen und die Augen schließen, um die Tränen niederzukämpfen. Er konnte nur stoßweise atmen und war überaus dankbar für die abgeschlossene Umgebung, die ihn vor dem Gestank nach Blut und Tod bewahrte, von dem er wußte, daß er ihn umgab. Schließlich konnte er die Augen wieder öffnen. Dann räusperte er sich.
»Keine Überlebenden«, sagte er an seinen Trupp gewandt. Selbst in seinen eigenen Ohren klang seine Stimme rau und alt. Er war dankbar, daß niemand eine Frage stellte. Er schaltete auf den Kommandokanal um.
»Falcon-Fünf, Falcon-Drei-Drei«, meldete er sich und wartete.
»Falcon-Drei-Drei, Falcon-Fünf«, antwortete Sergeant-Major Jenkins. »Sprechen
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