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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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zwinkerte sich den Schlaf aus den Augen und musterte seinen Besucher von oben bis unten. Er wollte den Fremden, wer immer es auch sein mochte, kurz abfertigen, aber ein Blick auf Gormley genügte, um Harry zu sagen, dass der Mann nicht mir nichts dir nichts wieder gehen würde. Eine Aura unauffälliger, aber beeindruckender Intelligenz umgab diesen Mann, und in Kombination mit seinem gewinnenden Lächeln und der auffordernd ausgestreckten Hand war das völlig entwaffnend.
    »Harry Keogh?«, fragte Gormley, wohl wissend, dass dies Keogh war. Er schob seine Hand noch ein wenig weiter vor und bestand darauf, dass der andere sie ergriff. »Ich bin Sir Keenan Gormley. Sie werden noch nicht von mir gehört haben, aber ich kenne Sie bereits ein bisschen. Eigentlich – also, eigentlich weiß ich fast alles über Sie!«
    Der Flur war schlecht beleuchtet, und Harry konnte die Gesichtszüge des anderen nur undeutlich sehen. Endlich ergriff er Gormleys Hand, trat dann beiseite und ließ ihn ein.
    Die Berührung hatte ihm eine Menge verraten, obwohl sie nur kurz gewesen war. Gormleys Händedruck war fest und dennoch federnd, kühl, aber ehrlich; er hatte nichts versprochen, aber auch mit nichts gedroht. Es war der Händedruck von jemandem, der ein Freund sein konnte. Außer dass ...
    »Sie wissen alles über mich?« Harry war sich unschlüssig, ob ihm das gefiel. »Das kann ja nicht viel sein. Da gibt es nicht viel zu wissen.«
    »Das glaube ich aber schon. Sie sind zu bescheiden.«
    Im helleren Licht von den Fenstern her betrachtete Keogh seinen Besucher jetzt genauer. Sein Alter konnte irgendwo zwischen fünfzig und sechzig liegen, aber eher am oberen Ende; seine grünen Augen waren ein wenig trübe und seine Haut voll kleiner Falten; sein Haar lag wohlfrisiert um einen großen, hohen Kopf. Er war etwa 1,75 Meter groß, und sein gut geschnittenes Jackett konnte seinen etwas gebeugten Rücken nicht ganz verbergen. Sir Keenan Gormley hatte schon bessere Tage gesehen, aber Harry Keogh war sicher, dass ihm noch einige Zeit blieb.
    »Wie spreche ich Sie an?«, fragte er. Zum ersten Mal sprach er mit einem ›Sir‹.
    »Keenan genügt, wir werden ja Freunde sein.«
    »Sind Sie sicher? Dass wir Freunde werden, meine ich? Ich will Sie bloß warnen, weil das bei mir nicht oft vorkommt.«
    »Ich glaube, dass wir keine andere Wahl haben«, lächelte Gormley. »Wir haben zu viel gemeinsam. Außerdem haben Sie eine Menge Freunde, soweit ich hörte.«
    »Dann haben Sie etwas Falsches gehört«, sagte Harry stirnrunzelnd und schüttelte den Kopf. »Meine echten Freunde kann ich an einer Hand abzählen.«
    Gormley glaubte, dass er direkt zum Punkt kommen sollte. Außerdem wollte er Keoghs Reaktion sehen, wenn jemand ihn kalt erwischte. Es könnte das letzte Beweisstückchen liefern. »Das sind die lebenden«, antwortete er leise, und ließ das Lächeln langsam aus seinem Gesicht gleiten. »Aber ich glaube, dass die anderen sehr viel zahlreicher sind ...«
    Es traf Harry wie eine Granate.
    Er hatte sich oft gefragt, was er empfinden würde, sollte er jemals von jemandem auf diese Art konfrontiert werden, und nun wusste er es. Ihm war übel.
    Er schwankte und sank in einen wackeligen Sessel. Er war totenbleich, zitterte, schluckte und musterte Gormley mit den Augen eines in die Enge getriebenen Tiers. »Ich weiß nicht, was Sie ...« versuchte er krächzend zu leugnen, doch Gormley schnitt ihm das Wort ab: »Oh doch, Harry! Sie wissen nur zu gut, wovon ich rede. Sie sind ein Necroscope. Und wahrscheinlich sind Sie der einzige echte Necroscope auf der ganzen Welt!«
    »Sie müssen wahnsinnig sein!«, keuchte Harry verzweifelt. »Hier reinzukommen und mich ... mit Dingen ... zu beschuldigen. Ein Necroscope? So was gibt es doch nicht. Das weiß doch jeder, man kann doch nicht ... nicht ...« Stammelnd brach er ab.
    »Nicht was, Harry? Mit Toten sprechen? Aber du kannst es, oder nicht?«
    Kalter Schweiß brach auf Harrys Stirn aus. Er schnappte nach Luft. Er war ertappt und er wusste es. Er saß in der Falle wie ein Vergewaltiger, der noch keuchend zwischen den Schenkeln seines zerschundenen Opfers hockt, im Licht der Polizeischeinwerfer. Er hatte sich vorher nie wie ein Verbrecher gefühlt – er hatte nie jemandem geschadet – aber jetzt ...
    Gormley trat vor, griff seine Schultern und schüttelte ihn. »Wachen Sie auf, Mann! Sie sehen aus wie ein dreckiger kleiner Junge, den man beim Wichsen erwischt hat. Sie sind nicht krank, Harry – was Sie

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