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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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gewöhnlichen Menschen mit gewöhnlichen Gedanken. Ich meine, ihre Gedanken bewegen sich auf niedrigem Niveau. Nehmen wir an, dass ihre Gedanken zu Lebzeiten sehr praktisch orientiert waren. Ich will sie nicht schlecht machen; sie waren einfach nicht besonders schlau, das ist alles. Aber es gibt auch außergewöhnliche Leute: schöpferische Menschen, große Denker, Architekten, Mathematiker, Schriftsteller, die richtigen Intellektuellen. Und was, glaubst du, tun die?«
    Brenda sah ihn an und versuchte, seine Gedanken einzuschätzen. Sie blieb stehen, um einen hellen, vom Meer geglätteten Kieselstein aufzuheben.
    Dann sagte sie: »Ich vermute, dass auch die ihr Ding weiter durchziehen. Wenn sie zu ihren Lebzeiten große Denker waren, dann werden sie wohl auch weiterhin besondere Gedanken haben.«
    »Genau!«, sagte Harry emphatisch. »Genau so ist es. Die Brückenbauer bauen weiterhin Brücken – im Geist. Wunderschöne, luftige Gebilde, die ganze Ozeane überspannen! Die Musiker schreiben herrliche Lieder und Melodien. Die Mathematiker entwickeln abstrakte Theorien und feilen sie weiter aus, bis sie so kristallklar sind, dass selbst ein Kind sie verstehen könnte, dabei aber erstaunlicherweise die Geheimnisse des Weltalls erklären. Sie verbessern das, was sie taten, als sie noch lebten. Sie führen ihre Ideen an den Rand der Vollkommenheit und beenden all die unvollendeten Gedanken, für die sie zu Lebzeiten keine Zeit hatten. Und es gibt keine Ablenkung, keine äußerliche Störung, niemand belästigt, verwirrt oder interessiert sie.«
    »So, wie du es erzählst«, sagte sie, »hört sich das nett an. Aber glaubst du, dass es auch wirklich so ist?«
    »Natürlich«, nickte er und riss sich sofort wieder zusammen. »In meiner Geschichte jedenfalls. Ich meine, woher soll ich wissen, wie es in Wirklichkeit ist?«
    »Das war nur eine alberne Frage«, erwiderte sie. »Natürlich ist es nicht wirklich so. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum diese Toten mit deinem, äh, Necroscopen reden wollen. Stört er sie denn nicht? Würde er sie nicht belästigen, wenn er sich so in all ihre großartigen Pläne einmischt?«
    »Nein.« Harry schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Das ist doch ganz natürlich, oder? Was bringt es, etwas Wundervolles zu erschaffen, wenn man es niemandem zeigen kann? Das ist der Grund, warum sie sehr gerne mit dem Necroscopen reden. Er weiß ihr Genie zu würdigen. Er ist der Einzige, der das kann! Außerdem ist er sehr einfühlsam – er will alles über ihre wundervollen Entdeckungen und fantastischen Erfindungen erfahren, die in der wirklichen Welt vielleicht erst in tausend Jahren erdacht werden!«
    Brenda begriff plötzlich, was er gesagt hatte. »Aber das ist eine wunderbare Idee, Harry! Und überhaupt nicht morbid, wenn ich das anfangs auch gedacht habe. Der Necroscope könnte ihre Erfindungen für sie verwirklichen! Er könnte ihre Brücken bauen, ihre Musik erklingen lassen, ihre ungeschriebenen Meisterwerke zu Papier bringen! Wird das so passieren? In deiner Geschichte, meine ich?«
    Er wandte sein Gesicht ab, blickte weit hinaus aufs Meer und sagte: »So in etwa vermutlich. Das habe ich noch nicht ausgearbeitet ...«
    Dann waren sie für eine Weile still, und kurz darauf erreichten sie Crimdon und legten in einem kleinen Café am Fuße der Dünen eine Pause ein.
    Harry lag schlafend auf seinem Bett, nackt und ohne Decke. Es war ein sehr warmer Abend, und die untergehende Sonne goss ihr goldenes Feuer durch die hohen Fenster seiner winzigen Wohnung. Brenda bemerkte den feinen Schweißfilm auf seiner Stirn und zog die Vorhänge vor dem Mansardenfenster zu. Als der Schatten auf sein Gesicht fiel, stöhnte er und murmelte etwas vor sich hin, doch Brenda konnte nichts verstehen. Während sie sich leise anzog, dachte sie über den heutigen Tag nach und ließ ihre Erinnerung über all die Jahre zurückschweifen, in denen Harry und sie sich schon kannten.
    Heute war ein guter Tag gewesen. Und endlich hatte Harry mit ihr über ... gewisse Dinge gesprochen. Er hatte sich ein wenig geöffnet und sich etwas Luft verschafft.
    Seit dem langen Gespräch über seine Geschichte schien er erleichtert zu sein, fast glücklich. Doch was ihn wahrhaft glücklich machen würde – das konnte Brenda sich nicht recht vorstellen. Er hatte gesagt, dass er ›viel im Kopf‹ habe. Viel wovon? Seiner Schreiberei? Vielleicht. Aber er war nie richtig glücklich gewesen. Oder wenn, dann hatte er es ihr nicht gezeigt

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