Auferstehung
Jahren?«
»Unter anderem, ja, das will ich sagen. Sie würden es ein Hobby nennen – oder vielleicht eine Obsession. Aber eine sehr nützliche Obsession, soweit es die Bibliothek betrifft.«
»Dann muss ich hin und ihn sehen! Es könnte mir eine Menge Zeit und verschwendete Energie ersparen.«
Der Bibliothekar zuckte mit den Achseln. »Ich kann Ihnen eine Wegbeschreibung und seine Adresse geben, aber ... es liegt an ihm, ob er Sie sehen will oder nicht. Es könnte hilfreich sein, wenn Sie ihm eine Flasche Whisky mitbrächten. Er ist ein großer Whiskykenner – aber er trinkt den schottischen, wenn er ihn sich leisten kann, und nicht diese Jauche aus Bulgarien!«
»Sie müssen mir seine Adresse geben«, bat Dragosani. »Er wird sicher mit mir sprechen. Das kann ich Ihnen versichern.«
Dragosani fand den Ort genau so, wie der Bibliothekar es beschrieben hatte, an der Bukarester Landstraße, etwa eine Meile außerhalb von Titu. Auf dem kleinen Anwesen mit hölzernen zweistöckigen Gebäuden, die etwas abgesetzt von der Straße in einem Waldstück von ein paar Hektar standen, fiel Ladislau Girescis Häuschen durch seine relative Isoliertheit auf. Alle Häuser waren von Gärten oder freien Flächen umgeben, die sie von den Nachbarn trennten, aber Girescis Haus stand ein gutes Stück abseits am Rand des Anwesens, versteckt zwischen ein paar Kiefern und wucherndem Grünzeug. Die Kiesauffahrt zum Haus selbst war eingezwängt zwischen wilden Hecken; blättrige Kriechgewächse schoben ihre Ranken über die Kiesel. Das Haus war sichtlich angegriffen von Holzschwamm in fortgeschrittenem Stadium und strahlte eine Aura der Vernachlässigung aus. Im Vergleich dazu waren die anderen Gebäude des Anwesens in gutem Zustand und ihre Gärten wohlgepflegt. Der Weg vom Gartentor zur Haustür war ähnlich überwuchert, aber Dragosani ließ sich nicht beirren und klopfte an die Bretter, von denen die letzten Flöckchen Farbe rieselten.
In einer Hand hielt er ein Einkaufsnetz mit einer Flasche Whisky, die er in einem Spirituosenladen in Pitesti erworben hatte, einem Laib Brot, einem Eckchen Käse und etwas Obst. Das Essen war für ihn selbst, wenn er nichts anderes bekommen würde, und die Flasche für Giresci, wie man ihm geraten hatte. Falls der zu Hause war. Dies schien umso unwahrscheinlicher, je länger Dragosani wartete; aber nachdem er noch einmal geklopft hatte, diesmal etwas lauter, hörte er endlich Geräusche im Innern.
Der Mann, der ihm schließlich die Tür öffnete, war vielleicht 60 Jahre alt, und zerbrechlich wie ein getrocknetes Blümchen. Sein Haar war weiß – nicht grau, sondern weiß wie ein Häubchen Schnee auf dem Hügel seiner Stirn – und seine Haut noch blasser als Dragosanis eigene, mit einem leicht matten Glanz. Das rechte Bein war aus Holz, keine moderne Prothese, sondern ein alter Stumpf, aber der Mann schien trotz seiner Behinderung einigermaßen behände zu sein. Sein Rücken war gekrümmt; er bewegte eine Schulter nur behutsam und zuckte zusammen, wenn er es tat. Seine braunen Augen blickten jedoch scharf und entschlossen, und als er sich nach Dragosanis Begehr erkundigte, war sein Atem rein und gesund.
»Sie kennen mich nicht, Herr Giresci«, begann Dragosani, »aber ich habe etwas über Sie gehört, und was ich gehört habe, hat mich fasziniert. Ich vermute, man könnte mich als eine Art Historiker bezeichnen, dessen Spezialgebiet weit zurück in der alten Walachei liegt. Und man hat mir gesagt, dass niemand die Geschichte dieser Landstriche besser kennt als Sie.«
»Hmm!«, sagte Giresci und musterte seinen Besucher von oben bis unten. »Es gibt Professoren an der Universität in Bukarest, die das bestreiten würden – aber ich nicht!« Er versperrte den Weg nach innen, scheinbar unentschlossen, aber Dragosani bemerkte, wie seine braunen Augen das Einkaufsnetz und die Flasche beäugten.
»Whisky«, sagte Dragosani. »Ich schätze einen guten Tropfen, aber es ist schwierig, in Moskau an das Zeug ranzukommen. Vielleicht möchten Sie mit mir ein Gläschen trinken – während wir reden?«
»Ach?«, blaffte Giresci. »Und wer hat davon gesprochen, dass wir reden?« Aber sein Blick wanderte wieder zur Flasche, und in einem weicheren Ton sagte er: »Scotch?«
»Natürlich. Es gibt nur einen echten Whisky, und das ist –«
»Wie heißen Sie, junger Mann?«, schnitt ihm Giresci das Wort ab. Er blockierte immer noch den Zugang ins Haus, aber seine Augen verrieten Interesse.
»Dragosani. Boris
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