Aufstand der Alten
spähte im Vorbeigleiten auf die Hausnummern. Als er am Haus der Timberlanes anlangte, schaltete er den Motor aus, und das Vehikel senkte sich unter dem absterbenden Heulen seiner Turbinen auf den Grund.
Besorgt holte Martha ihren Mann ans Fenster. Zwei Männer mit dem gelben X auf Kragenspiegeln und Achselstücken waren in dem Fahrzeug. Einer kletterte heraus und kam über die Straße.
»Wir haben nichts zu fürchten«, sagte Timberlane, doch im selben Augenblick fühlte er in seiner Tasche nach der kleinen 7,7 Millimeter-Pistole, mit der DAZ ihn bewaffnet hatte. »Geh in die Küche und schließ dich ein«, sagte er zu Martha. »Und sei still.«
»Was wollen diese Leute?« fragte sie ängstlich.
Eine Faust schlug heftig gegen die Tür.
»Hier, nimm die Ginflasche«, sagte er und schob Martha vor sich her in die Küche. Das Klopfen wurde wiederholt, bevor er an die Tür gehen konnte.
Ein Corporal stand da. »Timberlane? Algernon Timberlane? Sie werden in der Kaserne gebraucht.«
Er war ein untersetzter Mann mit hartem Kinn und dunklen Rändern unter den Augen. Er mochte Anfang Fünfzig sein und trug eine saubere, scharf gebügelte Uniform. Den Daumen seiner Rechten hatte er hinter den Gürtel gehakt, und mit den Fingern trommelte er auf dem Lederfutteral seiner Dienstpistole herum.
»Wer möchte mich sprechen? Ich wollte gerade zu Abend essen.«
»Kommandeur Croucher. Kommen Sie mit.« Der Corporal hatte eine große Nase, die er verlegen zwischen Daumen und Zeigefinger rieb, während er Timberlane musterte.
»Ich habe mich für morgen beim Kommandeur angemeldet.«
»Sie sind heute abend mit ihm verabredet, Mann. Ich habe keine Lust, mit Ihnen zu streiten.«
Es schien sinnlos zu sein, weitere Argumente vorzubringen. Als er die Tür hinter sich schließen und mit dem Mann gehen wollte, erschien Martha. Sie wendete sich direkt an den Uniformierten.
»Ich bin Mrs. Timberlane. Wollen Sie mich auch mitnehmen?«
Sie war eine attraktive, üppige Frau mit einer gewissen Offenheit des Blicks, die sie jünger erscheinen ließ als sie war. Der Corporal betrachtete sie mit Wohlgefallen.
»Solche wie Sie werden nicht mehr gemacht, meine Dame«, sagte er. »Sie können Ihren Mann begleiten.«
Sie fuhren auf unnötig zeitraubenden Umwegen zu dem viktorianischen Pseudoschloß, das Crouchers Hauptquartier war. In den ersten Minuten der Fahrt dachte sie voll Angst: ›Ist dies nicht eine der für das letzte Jahrhundert so typischen Situationen? Das unerwartete, rechthaberische Klopfen an die Tür, das zögernde Öffnen, der Anblick eines Uniformierten, der einen irgendwohin mitnahm, ohne Gründe anzugeben, ohne das Ziel zu nennen? Wer erfand diese Situation, daß sie so oft wiederholt werden muß?‹ Sie verlangte danach, etwas davon laut auszusprechen; sie verallgemeinerte in der ziemlich anmaßenden Art ihres Vaters, und das Verallgemeinern bringt erst dann Erleichterung, wenn es laut geschieht. Aber ein Blick in Timberlanes Gesicht ließ sie schweigen. Sie sah, daß er aufgeregt war.
Die Stadt schlief in der Septemberhitze. Aber der Patient hatte einen unruhigen Schlummer. Alte Kartons und Zeitungen häuften sich an den Rinnsteinen. Ein batteriegetriebenes Kabriolett stand diagonal auf dem Gehsteig, die Nase in einem zerbrochenen Schaufenster. In offenen Fenstern lagen Leute in müßiger Neugier, die Ellenbogen auf Kissen gestützt, Langeweile in den dümmlichen Gesichtern. Der Geruch des Patienten zeigte, daß Blutvergiftung eingesetzt hatte.
Sie segelten durch ein Tor des Kasernengeländes und stiegen aus. Der Corporal führte sie über einen heißen, leeren Platz, durch ein Portal, einen Korridor entlang und über eine Treppe in kühlere Räume. Dort sprach er mit einem anderen Mann, der sie in einen neuen Raum brachte, wo eine traurige Kollektion schwitzender und müder Leute auf Bänken wartete. Mehrere von ihnen trugen Choleramasken.
Sie fanden zwei freie Plätze und warteten dort eine halbe Stunde, bevor sie aufgerufen wurden. Schließlich führte man sie in einen weitläufigen, rustikal möblierten Raum, der anscheinend einmal als Offiziersmesse gedient hatte. Auf einer Seite standen vor hohen Bogenfenstern ein Mahagonischreibtisch und drei Kartentische. An diesen Tischen saßen mehrere Männer vor Plänen und Aktenstapeln; nur der Mann am Mahagonischreibtisch hatte nichts als ein Notizbuch vor sich Liegen. Er war der einzige unter den Anwesenden, der keinen unbeschäftigten Eindruck machte. Es war der
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