Aufstand der Gerechten
Beleuchtet wurde der Raum nur von
altmodischen, vergilbten Wandlampen. Dennoch blieb die Ankunft eines
Angehörigen des PSNI, der nordirischen Polizei, nicht unbemerkt im
Pub, obwohl Hendry in Zivil war.
In der ganzen Zeit, die ich Jim Hendry nun kannte, hatten wir nie
wirklich privat miteinander zu tun gehabt, abgesehen von der einen oder anderen
Tasse Tee im Anschluss an eine Vernehmung. Es war Freitagabend, und ich spürte,
dass er sich Gesellschaft wünschte, und ich für meinen Teil war so feige, der
Konfrontation mit Penny aus dem Weg zu gehen. Tatsächlich bildete ausgerechnet
Morrison unser Gesprächsthema, als Hendry sich mit zwei Pints zu mir setzte.
»Vincent Morrison ist wieder aufgetaucht«, sagte ich und nahm einen
Schluck Bier, während Hendry gleich mehrere Schlucke trank.
»Helfen Sie mir auf die Sprünge.« Er wischte sich mit Daumen und
Zeigefinger den Schaum aus dem Schnurrbart.
»Menschenschmuggler. Diese Tschetscheniengeschichte vor einiger
Zeit.«
Er nickte. »Und was hat er vor?«
»Das weiß ich nicht genau. Er gehört zu einer Bürgervereinigung, die
diesen Anti-Drogen-Verein The Rising unterstützt. Er lebt jetzt auf meiner
Seite der Grenze.«
»Und Sie glauben nicht, dass er sich geändert hat?«, fragte Hendry
und zog gespielt ernsthaft eine Augenbraue hoch. »Sie sind so misstrauisch.«
»Ich traue ihm eben nicht über den Weg. Da muss etwas
dahinterstecken. Haben Sie hier drüben irgendwas gehört?«
Hendry schüttelte den Kopf, leerte sein Glas, schlug sich an die
Brust und rülpste.
»Entschuldigung.« Er hielt sich den Handrücken vor den Mund. »Nein,
nichts. Ich höre mich mal um, vielleicht weiß unser Rauschgiftdezernat ja was
über ihn.«
»Das wäre nett. Der Scheißkerl hat seinen Sohn auf die Schule meiner
Tochter geschickt.«
»Hat er ihn tatsächlich auf ihre Schule geschickt, oder sind sie
einfach zufällig an derselben Schule gelandet?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie viele Schulen gibt es bei Ihnen in der Gegend?«
»Ich hole Ihnen noch ein Pint«, sagte ich und stand auf.
Er lachte. »Wie viele?«
»Eine. Okay, ich hab’s kapiert.«
»Ich nehme ein Smithwick’s.« Er zwinkerte dem Mann hinter der Theke
zu, der bereits ein Pintglas zur Hand genommen hatte.
Für mich kaufte ich eine Cola. Während der Kellner Hendrys Pint
zapfte, legte ich das Foto von Martin Kielty auf die Theke.
»Wie läuft’s denn so?«, fragte ich, als der Kellner zu mir kam, und
hielt das Geld schon in der Hand. Er sah über meine Schulter zu Jim Hendry,
dann drehte er sich um und ging wortlos ans andere Ende der Theke. Als ich ihm
hinterhersah, fiel mir auf, dass dort ein Mann saß, den ich kannte.
Patsy McCann hockte auf dem Barhocker, der am weitesten von mir
entfernt stand. Wahrscheinlich war seine Schicht gerade zu Ende, denn er trug
noch die Kellnerkleidung. Bei unserer letzten Begegnung hatte er gerade seine Arbeit
an den Nagel gehängt und infolge eines kleinen Goldrauschs in der Gegend im
Carrowcreel nach Gold gesucht.
Ich ging zu ihm, woraufhin der Barmann etwas murmelte und sich
erneut von mir entfernte.
»Ben«, sagte Patsy, drehte sich auf dem Hocker um und streckte mir
die Hand hin. »Bisschen außerhalb Ihres Reviers hier.«
»Ich komme viel rum«, entgegnete ich.
»Ihr Kumpel ist sogar noch weiter außerhalb seines Reviers. Er macht
ein paar von den Gästen nervös.«
Ich sah mich im Raum um und merkte, dass die Gespräche seit unserer
Ankunft gedämpft klangen und mehrere Gäste zu Hendry hinübersahen, einige offen
feindselig. Falls Hendry das bemerkte, ließ er es sich nicht anmerken.
»Ich brauche ein paar Informationen«, sagte ich.
Patsy rief den Kellner herbei. »Gib den beiden, was sie trinken wollen.
Die bleiben nicht lange.« Dann wandte er sich an mich. »Ich muss Kippen kaufen,
Ben.« Er nickte kaum merklich, ich sollte ihm folgen.
Ich wartete, bis unsere Getränke eingeschenkt waren, brachte sie an
unseren Tisch und entschuldigte mich kurz. Hendry winkte mich fort, während er
einen kräftigen Schluck von seinem frischen Bier nahm, der das Glas zu einem
Drittel leerte.
Als ich aus dem Schankraum kam, stand Patsy McCann am
Zigarettenautomaten. Er war in den letzten Jahren gealtert, sein dunkles
lockiges Haar lichtete sich, und die weiße Kopfhaut schimmerte unter den Locken
hervor.
»Sie müssen ihn hier rausbringen, bevor jemand kommt«, sagte Patsy.
»Kennen Sie diesen Mann?« Ich reichte ihm das Foto von Kielty.
Er warf einen Blick
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