Aufstand der Gerechten
seiner Augen tränte ein wenig,
während wir uns unterhielten, und er rieb unentwegt mit dem Zeigefinger
darüber. Er bat mich herein, schloss die Tür hinter uns und sagte, Caroline
ruhe sich im Obergeschoss aus. Ich schlug vor, später noch einmal wiederzukommen,
doch er bestand darauf, dass ich zu ihr ging. Sie sei wach, sagte er.
Als ich bereits die Treppe hochging, fiel ihm noch etwas ein, und er
rief mich zurück. Er stand auf der untersten Stufe, sah mich an und reichte mir
die Hand.
»Was Sie mit Simon gemacht haben, will ich schon seit fünfzehn
Jahren tun. Gut, dass Sie das getan haben, mein Sohn.«
Darauf erwiderte ich nichts. Zumindest wusste ich nun, dass auch
Caroline von dem Vorfall erfahren haben musste.
Sie saß aufrecht im Bett, als ich ihr Zimmer betrat. Auf dem Nachttisch
neben ihr standen eine halb volle Tasse Tee und ein Teller mit ein paar
Toastrinden.
»Sie werden gut versorgt«, sagte ich mit Blick auf die Überreste
ihres Frühstücks.
Sie lächelte milde. »Wie ich höre, waren Sie bei Simon.«
»Wer hat es Ihnen erzählt?« Ich setzte mich auf die Bettkante. In
ihrem Schoß lag eine Brille. »Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Brille
tragen.«
»Tue ich auch nicht. Normalerweise trage ich Kontaktlinsen.«
»Das wusste ich auch nicht. Ist das nicht komisch?«
»Sie waren also bei Simon«, beharrte sie.
Ich blickte auf meine Hände, die ich im Schoß gefaltet hatte. »Ja.«
»Warum?«
»Sie wissen, warum, Caroline. Ich habe Ihr Telefon gesehen. Ich
weiß, dass Sie mit ihm gesprochen haben. Es war nicht schwer, darauf zu
kommen.«
Sie nickte, dann nahm sie die Brille und befingerte sie. »Muss ich
jetzt dankbar sein?«
»Ich habe das nicht für Sie getan. Ich habe das getan, weil er ein
brutaler Kerl ist, der immer Schwächere schikaniert. Ich habe das getan, weil
Leute wie er immer durchkommen mit ihrem Scheiß und niemand etwas dagegen
unternimmt.«
Sie hörte mir zu, ohne etwas zu erwidern.
»Ehrlich gesagt, habe ich halb damit gerechnet, dass ich
mittlerweile suspendiert wäre. Vielleicht nimmt er es ja einfach hin und
verschwindet.«
Diesmal schüttelte sie den Kopf. »Er weiß, dass Sie darauf warten,
dass er etwas unternimmt. Jetzt hat er Sie in der Hand. Er wird entscheiden,
wann Sie suspendiert werden. Sie haben ihm die Macht über sich gegeben. Er will
das bestimmt noch eine Weile auskosten. Aber er wird es nicht auf sich beruhen
lassen.«
Ein unbehagliches Schweigen entstand. Dann sagte Caroline: »Aber er
hatte recht, Ben. Es war meine Schuld, dass Peter gestorben ist. Ich habe ihn
dazu getrieben.«
»Caroline, die toxikologischen Ergebnisse sind da.«
Sie sah mich an und wurde bleich. Dann schluckte sie trocken. »Haben
Sie irgendwas gefunden?«
»Peter hatte hohe Konzentrationen von Alkohol und Kokain im Blut.
Sie haben ihn zu nichts getrieben.«
Diese Information bewirkte eine Veränderung bei Caroline. Sie setzte
sich anders hin, hörte auf, ihre Brille zu befingern, und setzte sie
stattdessen auf.
»Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher. Hat er Ihres Wissens schon früher Drogen genommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das hätte ich bemerkt. Ich kenne die
Anzeichen.«
»Ich denke, wir vernehmen die beiden anderen Jungen, die an jenem
Abend bei ihm waren, noch einmal. Wir müssen herausfinden, wo die Drogen
herkamen. Falls Sie jemanden für Peters Tod verantwortlich machen wollen, dann
den, der ihm das Kokain verkauft hat.«
»Die werden nichts sagen. Murphy ist ein gerissener kleiner Scheißkerl.
Der andere, Adam, ist ein guter Junge, aber er hat kein Rückgrat. Er hat
garantiert viel zu viel Angst, um irgendjemanden zu verpfeifen. Die beiden
werden alles abstreiten.«
»Ich habe da eine Idee. Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen. Einer
der Jungen muss Peters Handy an sich genommen haben, nachdem er gestorben war.
Sie haben doch Sonntagabend eine SMS von ihm bekommen, der zufolge er in Dublin
war. Wir wissen aber, dass er da schon längst tot war. Also muss einer das
Handy gehabt und diese SMS geschickt haben. Wenn ich einen von den beiden
dazu bringen kann, das zuzugeben, dann könnte ich ihnen vorschlagen, dass wir
sie nicht wegen Irreführung der Justiz festnehmen, wenn sie uns sagen, woher
die Drogen stammen. Falls Sie sich bereit erklären, keine Anzeige gegen die
beiden zu erstatten.«
Sie dachte darüber nach und legte dabei den Kopf ein wenig schräg.
Die Brille stand ihr gut, sie betonte ihr prägnantes Kinn und die
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