Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand
einst vor Liebe toll.
Du bist der Jäger, ich bin die Gazelle.
Den Weg in deine Falle hab ich vielerorts gesucht, an jeder Stelle.
Lassen von der Liebe, ich wüsste nicht, wie, ich kann’s auch nicht!
Damals hab ich keine Antwort mehr von dir gehört.
Tief verzweifelt war ich, tief verstört.
Bin nicht zurückgeschreckt, hab mich nicht abgekehrt.
Ohne dich, doch mit wie viel Schwermut, ging ich wieder durch diese Gasse hier!«
»Du bist noch genauso romantisch wie damals und hast dich kein bisschen verändert, wie?«, sagte Amir mit ruhiger Stimme.
»Du wolltest immer, dass ich dir schreibe, wolltest mich spüren in meinen Briefen. Von Lyrik wolltest du nie was wissen. Schreib richtige Briefe!, hast du immer gesagt. Dabei hast du nie verstanden, dass ich dir Gedichte geschickt hab, weil es mir so schwerfiel, ausführliche Texte zu schreiben!«
»Ah, jetzt wird mir klar, warum ich deine Briefe so oft korrigieren musste!«
»Und heute, Amir, was machst du heute? Hast du den Supermarkt aufgemacht, von dem du geträumt hast?«
»Das Projekt hat sich zerschlagen …«
»Wir telefonieren heute miteinander, als sei kein bisschen Zeit vergangen seit damals in Hamadan. Meinst du, es kann wieder so werden wie früher, Amir? Meinst du, wir könnten heiraten?«
»Hat denn wirklich niemand um deine Hand angehalten?«
»Doch, schon, aber ich mag ihn nicht. Und er macht mir Angst. Ich weiß nicht, wie ich ihn loswerden soll. Ich will einen Mann, den ich aus tiefstem Herzen schätzen und lieben kann. Amir, das warst immer du, weißt du das?«
»Wenn du wüsstest …«
»Wieso? Was meinst du damit, Amir?«
»Ach, nur so.«
»Wir könnten wohl ewig weiter telefonieren, Amir. Es gibt noch so viel zu erzählen.«
»Wir könnten uns auch treffen!«
Und so verabredeten wir uns für das kommende Wochenende in Teheran. An einem Freitag, ganz früh am Morgen vor dem Bahman-Kino am Platz der Revolution.
Unser Gespräch war kaum beendet, da machte mein Herz tausend Freudensprünge, und mein Kreislauf spielte verrückt. Heiß und kalt war mir vor Aufregung. Ich konnte es noch immer kaum glauben und war so aufgekratzt wie seit der Zulassung zum Studium nicht mehr. Nur mit dem Unterschied, dass ich meine Freude an diesem Tag nicht laut herausschreien konnte. Ich würde Amir wiedersehen. Nach so langer Zeit. Ob er sich verändert hatte? Würde ich ihn wiedererkennen? Endlich könnte ich ihn meinen Eltern vorstellen!
Ich wartete. Der Platz der Revolution war noch fast leer. Nur Amir sah ich nicht. Wo war er bloß? Weit und breit war niemand zu sehen … Doch, da! Hinter der Telefonzelle. Amir? War das Amir? Ich traute meinen Augen nicht. Mir fielen die Worte meiner Freundin ein, die mich gewarnt hatte. »Mach dich auf eine Überraschung gefasst, Ameneh.« Und das war die Überraschung. Eine böse …
Ich musste an mich halten, um nicht die Hand an den Mund zu heben und einen entsetzten Aufschrei zu unterdrücken. Amir stand vor mir, und ich erkannte ihn kaum wieder. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst – abgemagert und ausgemergelt. Seine schönen Augen blutunterlaufen, verquollen, in schwarze Höhlen gesunken. Gott im Himmel, warum tust du mir das an!? Und dann fragte er mich auch noch, warum ich ihn so anstarren würde …
»Wie sehr du dich verändert hast, Amir.«
Ich war entsetzt. Aus dem schönen jungen Amir war ein alter, verbrauchter Mann geworden. Was hatte das Opium nur aus ihm gemacht! In so kurzer Zeit? Seine Schönheit, seine Selbstsicherheit, sein Stolz – alles schien dahin zu sein. Meine Freundin hatte es im Grunde ja angedeutet, aber ich hatte es nicht wahrhaben wollen.
»Amir, weißt du noch – damals wollte ich nicht, dass du mit dem Rauchen anfängst.«
»Ja, ich weiß … Kannst du mir Geld leihen?«
Geld? Für was? Für Drogen? So weit war es also wirklich gekommen. Warum, Herr im Himmel, warum tust du mir das an?
»Ameneh, können wir nicht doch heiraten …?«
»… aber Amir, wie denn noch, jetzt? Sag mir, wie denn noch, ich bitte dich?«
Es tat so bitter weh, ihn enttäuschen zu müssen. Es tat so bitter, bitter weh zu sehen, dass mein, dass unser Traum an diesem Tag endgültig zerplatzt war! Ich fühlte mich so einsam. Und ich war es auch. Ich war alleine, und ich würde es wohl auch bleiben. Die Liebe meiner Jugend war gegangen. Sie war mir genommen worden, für immer.
Wenig später rief Madschid wieder in der Firma an. Der Terror ging weiter. Woher nahm er nur das Recht, mich
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