Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand
Telefonterror seiner Mutter, seine ständigen Anrufe … und nun sah es danach aus, als ob ich wegen dieser Geschichte auch noch Probleme in meiner Firma bekommen könnte. Der Kerl war im Begriff, meine Existenz zu ruinieren, und ich wusste nicht, wie ich mich dagegen wehren sollte.
Der nächste Anruf ließ nicht lange auf sich warten: »Ameneh, ich habe jetzt Geld genug, ein Auto, eine Wohnung – alles ist vorbereitet, für dich. Wir müssen jetzt heiraten!«
Ich hatte den Eindruck – wie in einem schlechten Traum –, als machten meine Füße einen Schritt nach dem anderen, ohne dass ich auch nur einen Zentimeter vom Fleck käme.
»Deine Mutter hat dich angelogen. Verstehst du das nicht? Nichts von dem, was sie dir erzählt hat, stimmt. Ich will dich nicht, dein Geld will ich nicht, dein Auto und deine Wohnung auch nicht. Ich will nur eines: meinen Frieden! Akzeptiere das endlich, und lass mich in Ruhe!«
Die gewünschte Ruhe ließ er mir naturgemäß nicht. Eines Nachmittags, nach der Arbeit, unterwegs zum Bus, sah ich jemanden um die nächste Straßenecke biegen, der ihm ähnlich schien. Er verfolgte mich also noch immer! Nicht nur über das Telefon, auch hier auf den Straßen Teherans. Sollte ich vielleicht doch die Polizei rufen? Aber die würde doch erst aktiv werden, wenn bereits Blut geflossen wäre …
Plötzlich hielt mich eine ältere Frau an. In einen ärmlichen Tschador gehüllt, sprach sie undeutlich, leise und wollte wissen, wie sie zu einer Straße ganz in der Nähe käme. Sie musterte mich seltsam eindringlich und schien gar nicht auf meine Handbewegungen zu achten, während ich ihr den Weg beschrieb. Die Frau starrte mich nur unentwegt an, und plötzlich überkam mich ein schrecklicher Verdacht: Das ist seine Mutter. Das musste sie sein! War sie gekommen, um mich zu taxieren? Um mit eigenen Augen zu sehen, wie diese Frau aussieht, die ihrem Sohn derart den Kopf verdreht hatte? Viehmarkt. Basar. Ein Gefühl der Angst überkam mich. Beklemmung. Mein Mund wurde schlagartig trocken, mein Hals war wie zugeschnürt. Ich musste weg. Nur noch weg von hier. Bevor sie zugreifen würde. Wie ein Raubvogel mit ihren krummen Krallen. Ich lief los, aufgebracht und in heller Panik.
Ein Kollege riet mir, nicht mehr alleine zum Bus zu gehen, aber ich solle dem Kerl ins Gesicht sagen, dass ich nichts von ihm wissen wolle. Die direkte Konfrontation würde ihre Wirkung bestimmt nicht verfehlen, versicherte er mir.
Eine andere Kollegin schlug vor: »Du nimmst am besten meinen Verlobten mit, wenn du’s ihm sagst.« Mein Studienfreund Hassan bot sogar an, ihn zu verprügeln. »Ein Kinderspiel, Ameneh. Ein Wort von dir, und wir schlagen ihn so windelweich, dass er seinen hohlen Kopf unter dem Arm mit nach Hause nehmen kann!«
Madschids unsagbare Zudringlichkeit sollte zu jener Zeit nicht mein einziges Problem bleiben.
An einem Nachmittag im September hatte ich auf dem Heimweg von der Arbeit gesehen, dass an einer Kreuzung in der Nähe unserer Wohnung ein Autounfall passiert war, mir aber weiter keine Gedanken darüber gemacht. Als ich die Wohnungstür aufschloss, hüllte meine Mutter sich gerade in ihren Tschador.
»Die Nachbarn sagen, Mohammad sei in einen Unfall verwickelt«, schluchzte sie mir entgegen. »Khoda-ya, barmherziger Gott, lass das nicht wahr sein!«
Ich sagte: »Unten an der Kreuzung, ja, da hat es vor ein paar Minuten einen Unfall gegeben. Gott erbarme dich! Mach, dass Mohammad nichts zugestoßen ist!« Aber unsere Gebete waren vergebens. Mohammad wurde schon ins Krankenhaus gebracht. Er hatte eine Hirnblutung erlitten, und niemand wusste, wie er diesen Unfall überstehen würde. Mein Bruder war schwer verletzt, und wir wussten nicht, wo wir das Geld für eine teure Operation hernehmen sollten.
Ob Mohammad jemals wieder auf die Beine käme? Ob er sich verändern würde? Mein geliebter Bruder! Was sollte ich bloß machen? Ich sah nur eine einzige Möglichkeit: Ich musste meine Firma um Hilfe bitten.
»Sie sind in der Tat vom Pech verfolgt, Frau Bahrami«, meinte Herr Fatawi, als ich ihn fragte, ob er uns unterstützen könne. »Warum weinen Sie eigentlich nicht?«, fragte er noch. Ich seufzte tief, dachte einen Augenblick über seine Frage nach und gab ihm dann zur Antwort: »Ach, Herr Fatawi, Tränen helfen mir nicht, meine Probleme zu lösen.«
»Ja, da mögen Sie recht haben. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie jedenfalls alles Gute.« Ich bin Herrn Fatawi noch heute wirklich dankbar
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