Augenblicklich ewig
von einem perlenbesetzten Kleid, das ihr im Traum zwar unglaublich gut gefiel, das sie aber im echten Leben niemals tragen würde? Bevor Polly eindöste, kam ihr ein Gedanke. Weder das Perlenkleid noch das wuchtige Kleid aus ihrem letzten Traum hatten sich wie ein Kostüm angefühlt. Im Gegenteil, die Kleider waren vollkommen normal, beinahe vertraut an ihrem Körper gewesen.
Wieder war es ihr Telefon, das sie aus dem Schlaf riss. Einen Moment orientierungslos darüber, warum die Sonne bereits gleißend in ihr Zimmer schien, obwohl sie noch im Bett lag, erinnerten ihre Kopfschmerzen sie umgehend an den Wein von gestern. Sie wühlte sich zu ihrem Handy durch, das in ihrem Bettzeug vergraben war, und nahm ab. »Ja«, ihre Stimme klang kratzig.
»Polly?«
»Ja.« Mehr brachte sie nicht heraus.
»Hier ist Sam.«
Sam.
»Entschuldige, ich möchte nicht stören, sondern hören, ob du einen Kaffee mit mir trinken möchtest. Mal wieder. Ich würde gern etwas mit dir besprechen.«
»Nein. Ich kann nicht.« Sie klang viel zu barsch, schoss es ihr durch den dröhnenden Kopf. Deshalb murmelte sie »Ich habe Kopfschmerzen« hinterher.
Am anderen Ende der Leitung hörte Polly, wie Sam kräftig ausatmete. »Okay, dann vielleicht ein anderes Mal. Wir sehen uns am Montag. Tschüss Polly.« Dann war die Leitung still.
Polly ließ das Telefon aus der Hand gleiten und versuchte, wieder einzuschlafen. Natürlich gelang es ihr nicht. Sie war dermaßen kurz angebunden gewesen, Sam musste sie für unmöglich halten. Erst verbrachte sie einen ganzen Nachmittag mit ihm, schrieb ihm Nachrichten, und dann fertigte sie ihn am Telefon ab, als sei er lästig. Nein, dabei konnte sie es nicht belassen. Erneut rollte sie langsam aus dem Bett und kam auf die Beine. Im Bad putze sie sich die Zähne und wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser. Nun war sie zumindest wach. Sie setzte sich auf die Bettkante, kramte nach ihrem Telefon und wählte Sams Nummer. Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm er das Gespräch endlich an.
»Ja?«
»Sam, hier ist Polly. Entschuldige bitte, dass ich eben so kurz angebunden war.« Sie stöhnte leise.
»Kein Problem, wir waren ja nicht verabredet.« Sams Stimme war distanziert.
»Ich wollte nicht unfreundlich klingen, aber um ehrlich zu sein, ich habe einen Kater und unheimliche Kopfschmerzen. Du hast mich geweckt und ich war noch nicht ganz da. Es hatte nichts mit dir zu tun, wirklich. Ich wäre zu jedem anderen auch so unhöflich gewesen.« Aus irgendeinem Grund wollte sie unbedingt, dass er sie verstand. Ja, Sam sollte sie nicht für launisch oder gar eigenartig halten. Wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben wollte Polly gefallen.
»Kein Problem.« Sam schien zu zögern. »Soll ich vorbeikommen?«, fragte er schließlich. »Ich kenne ein tolles Mittel gegen Kater und könnte es dir bringen.«
Er wollte sie treffen. Polly überdachte in Windeseile ihre Verfassung und fühlte in sich hinein. Ein Treffen war unmöglich. Sie war in einem desolaten Zustand und würde noch ewig brauchen, um zu alter Form zu finden. Wundermittel hin oder her.
»Es tut mir leid, aber mir ist derzeit echt nicht nach Besuch.« Einen Moment lang war es still am anderen Ende der Leitung. »Sam?«
»Ja, ich bin noch dran.« Wieder ein kleines Zögern. »Wie wäre es, wenn du mir deine Adresse gibst und ich dir die Sachen einfach vor die Tür stelle?«
Langsam wurde es Polly doch unheimlich, wie sehr Sam sie dazu drängte, ihn entweder in ihre Wohnung einzuladen oder ihm ihre Adresse zu verraten. Das Angebot mochte nett gemeint sein, aber Sam schien unbedingt herausfinden zu wollen, wo sie wohnte.
»Sam?«
»Ja?«
»Sei mir nicht böse, aber warum fragst du mich ständig nach meiner Adresse? Das ist ein bisschen gruselig.«
»Ich weiß.«
»Und warum willst du dann unbedingt herausfinden, wo ich wohne?«
Er seufzte am anderen Ende der Leitung und antwortete schließlich: »Damit ich dich finden kann, wenn du dich nicht mehr meldest.«
»Das klingt jetzt sogar noch ein bisschen gruseliger.«
»Das sollte es nicht. Ich habe mich nur ungeschickt ausgedrückt. Bitte halte mich nicht für einen Stalker oder so. Ich verbringe nur sehr gerne Zeit mit dir. Vergiss meinen Vorschlag einfach wieder. Wir sehen uns am Montag beim Interview.«
»Ach ja, das Interview. Passt dir der Termin?«
»Natürlich. Bis Montag, Polly.«
»Bis dann, Sam.« Polly war überrascht von dem plötzlichen Ende des Telefonats. Eben noch hatte Sam sie
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