Augenblicklich ewig
bekomme langsam das Gefühl, ich sollte meinen eigenen Haushalt gründen. Vielleicht sogar eine Familie. Wir sind fünfundzwanzig Jahre alt, Samuel. Wir werden nicht jünger.«
»Fünfundzwanzig ist doch kein Alter. Kein Grund zur Eile.«
Paul schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich weiß nicht, ich denke, es ist an der Zeit. Du weißt schon ... das Essen steht auf dem Tisch, wenn du von der Arbeit kommst, eine nette Frau fragt dich, wie dein Tag war, und kümmert sich um dich, auch nachts.«
»Ah, darum geht es dir also.« Sam lachte. »Deshalb brauchst du doch nicht gleich zu heiraten. Sieh dich um, wir haben die Zwanzigerjahre, Paul, die Frauen sind längst nicht mehr so zurückhaltend wie früher einmal. Du findest sicher auch ohne Trauschein ein nettes Mädchen für ein paar schöne Stunden.«
»Darum geht es gar nicht.«
»Worum denn?«
»Es geht um alles, Sam. Um unser Leben. Nicht nur um ein paar Küsse in irgendeiner Ecke.«
»Du weißt nicht, wovon du redest«, sagte Sam, und ihm war nach einem weiteren Glas Wein. Er wollte nicht glauben, was er soeben gehört hatte. Paul hatte die Absicht zu heiraten. Der einzige Mensch auf dieser Welt, den er bisher für einen vorbehaltlosen Verbündeten gehalten hatte, änderte seine Meinung von Grund auf und dachte daran, eine Ehefrau zu finden. Obwohl er wusste, das war der Lauf der Dinge – Menschen heirateten, gründeten einen Haushalt und bekamen Kinder – konnte er nicht glauben, dass Paul so dachte.
»Willst du ewig so weitermachen?«, riss Paul ihn aus seinen Gedanken.
»Nein, ich denke nicht. Aber warum gerade jetzt?«
Paul zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, ich bin so weit.«
Sam konnte ein verächtliches Schnauben nicht unterdrücken. Er erkannte Paul kaum wieder. Er und Paul waren befreundet, seit er denken konnte. Sie waren zusammen zur Schule gegangen und hatten sich auch nicht aus den Augen verloren, als Paul eine Ausbildung bei der Versicherung seines Vaters begonnen hatte und Sam Fotograf geworden war. Sie waren gute Freunde und hatten trotz ihrer unterschiedlichen Leben viele Gemeinsamkeiten. Eine davon war, dass sie beide gerne ihren Spaß hatten, schöne Frauen liebten, sich aber nicht binden wollten. Zumindest hatte Sam das bis eben geglaubt. Er bestellte eine ganze Flasche Wein und richtete seinen Blick wieder auf die Tanzfläche, ohne weiter auf Pauls Offenbarung einzugehen. Dieser schien den Wink zu verstehen, zumindest schwieg auch er eine ganze Zeit lang.
Im Laufe des Abends ließen sie schließlich ihre Meinungsverschiedenheit hinter sich und gingen zur gewohnten Routine über. Sie sahen den Mädchen beim Tanzen zu, schwangen gelegentlich selber das Tanzbein und flirteten. Sam beobachtete eine ganze Weile eine wunderschöne Rothaarige. Als diese sein Interesse bemerkte, lächelte sie ihm zu. Er verstand die Aufforderung und gesellte sich zu ihr auf die Tanzfläche. »Würden Sie mir die Ehre erweisen und mit mir tanzen?«, fragte er und schenkte ihr sein bestes Verführerlächeln .
Sie strahlte ihn an. »Gerne.«
Sam ergriff ihre Hand und zog sie dann zu sich heran in die Tanzposition. Wie auf Kommando wechselte die Kapelle zu einem langsamen Lied.
»Ich habe Sie hier noch nie zuvor gesehen. Und das will etwas heißen. Ich bin häufig in diesem Lokal. Sind sie neu in der Stadt?«, ergriff Sam nach einigen Drehungen das Wort.
Seine Tanzpartnerin errötete leicht. Zu schüchtern, schoss es Sam in den Kopf. »Ja, ich besuche meine Kusine. Morgen fahre ich wieder in die Provinz.«
»Zu schade«, sagte Sam, obwohl er es keineswegs bedauerte. Ihr Erröten erinnerte ihn an Polly. Wie aus dem Nichts heraus war ihr Gesicht vor seinem inneren Auge aufgetaucht. Mit geröteten Wangen, eingerahmt von wirren Locken. Er nahm das Gespräch nicht wieder auf, seine Tanzpartnerin schwieg ebenfalls. Beinahe mechanisch wiegte er sich und seine Tanzpartnerin zur Musik. Als er Paul im Gespräch mit einer Frau an einem der Tische entdeckte, verging ihm endgültig die Lust am Amüsement. In ihr könnte er seine zukünftige Frau finden, brodelte es regelrecht in ihm. Er fühlte sich von Paul verraten. Sein Freund würde ihrer beider Leben aus dem gut funktionierenden Gleichgewicht bringen, wenn er sich eine Frau nahm. Glücklicherweise war das Lied schnell vorbei. Sam bedankte sich bei seiner Partnerin und zog sich an die Bar zurück, wo er umgehend weiteren Wein bestellte.
Als Sam nach Hause wankte, viel zu spät, es dämmerte bereits,
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