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Augenblicklich ewig

Augenblicklich ewig

Titel: Augenblicklich ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Neuberger
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Beinahe wäre sie sofort auf der Straße zusammengesackt, hielt sich jedoch auf wackeligen Beinen und versuchte, sich aus der Menge zu befreien, die immer noch staunend auf die Statue schaute. Sie brauchte Luft zum Atmen. Als sie sich endlich durch die Menschen weiter nach hinten gekämpft hatte und nicht länger eingezwängt zwischen ihnen war, spürte sie den Schmerz umso deutlicher. Ungläubig sah sie an sich herab. Ihr Kleid war blutdurchtränkt. Das kräftige Rot durchzog den Stoff von der Seite her über ihren gesamten Bauch, beschmutzte ihren Mantel und sickerte weiter ihren Rock hinunter. Einen Moment lang verstand Polly nicht, was passiert war. Dann gaben ihre Beine nach. Sie fiel auf den kalten Boden. Niemand kümmerte sich um sie. Das ist New York, hier sterben jeden Tag unzählige Menschen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie starb. Sie war verletzt. Wie war das geschehen? Ein Messer? Wahrscheinlich. Tränen liefen ihr über die Wangen. Ein Hustenanfall schüttelte ihren Körper. Ihre Lungen füllten sich kaum noch mit Sauerstoff. Sie starb. Wo war Sam? Sie wollte sich von ihm verabschieden.

 
    Polly schrak keuchend aus dem Schlaf hoch. Sie fühlte den Schmerz, schmeckte das Blut auf ihrer Zunge, konnte kaum atmen. Sie war wieder gestorben. Mit den Fingern wischte sie ihre tränennassen Wangen trocken. Weinte sie um sich oder immer noch um Sam? Mit wackeligen Beinen holte sie sich ein Glas Wasser aus der Küche und setzte sich auf ihr Bett. Die Träume waren wieder da. Das Schicksal würde sie noch weniger leicht gehen lassen als Sam.
    Den Rest der Nacht blieb Polly wach. Sie traute sich nicht einzuschlafen. Zu groß war ihre Angst, erneut in einen Albtraum zu geraten. Um zehn Uhr hatte sie den Interviewtermin mit dem Politiker. Mechanisch schlüpfte sie in ihren Bleistiftrock. Ein schwarzes T-Shirt musste die zerknitterte Bluse vom Vortag ersetzen. Sie war viel zu dunkel angezogen für einen Sommertag, aber was machte das schon. Sie sah die Welt ohnehin nur noch durch einen trüben Schleier aus Trauer um Sam und die Chance, die sie beide womöglich verpasst hatten.
    Später, als sie sich die Aufnahme des Interviews anhörte, um sie in einen Artikel zu verwandeln, konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, die Fragen tatsächlich gestellt zu haben. Endlich mit der Arbeit fertig, saß sie ewig am Tisch und starrte abwechselnd auf ihre Hände, die immer noch auf der Tastatur lagen, und den Bildschirm. Was sollte sie jetzt tun? Ihr Telefon riss sie aus ihrer Apathie. Kurz befürchtete sie, Sam würde sie anrufen, dann fielen ihr seine Worte wieder ein. ‚Ich werde dich nicht anrufen.‘ Sie schielte auf das Display. Leas Bild lächelte ihr entgegen.
    »Hallo, Lea.«
    »Polly, du ahnst nicht, was passiert ist«, plapperte Lea sofort los. Sie schien Pollys niedergeschlagenen Tonfall vor lauter Aufregung gar nicht bemerkt zu haben und redete weiter, ohne Pollys Reaktion abzuwarten. »Ich hab ihn kennengelernt. Den Richtigen. Er ist so süß, ich kann gar nicht fassen, wie gut er aussieht. Er ist einfach perfekt.«
    Leas euphorische Stimmung war regelrecht ansteckend. »Wow, das sind tolle Neuigkeiten. Erzähl mir alles!« Ihrer Freundin zuliebe drängte Polly ihre Sorgen und Probleme in den Hintergrund.
    »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es ist natürlich alles noch ganz frisch. Er ist der neue Chefredakteur. Wir dachten alle, der Vorstand würde jemanden aus dem Verlag nehmen, aber sie haben jemand Neues geholt. Max. Er ist umwerfend. Groß, blond und unglaublich charmant.« Lea beendete ihre Ausführungen mit einem Seufzer.
    »Hast du auch schon mit Max gesprochen, oder himmelst du ihn bisher nur an wie ein verliebter Teenager?«
    »Natürlich habe ich mit ihm gesprochen. Wir arbeiten doch zusammen.« Polly war sich sicher, dass Lea in diesem Moment am anderen Ende der Leitung die Augen verdrehte. »Außerdem waren wir schon mehrmals in der Mittagspause zusammen beim Italiener und heute hat er mich gefragt, ob ich mit ihm ins Kino gehe.«
    »Und du erzählst mir erst jetzt von ihm?«
    »Ach, du warst doch mit Sam gut versorgt. Ich wollte Max erst einmal genauer unter die Lupe nehmen. Aber jetzt bin ich mir sicher. Er ist unwiderstehlich.«
    Sams Namen zu hören, jagte Polly einen kleinen Stich in Herz. »Ich freue mich riesig für dich und ich hoffe, dass es mit dir und Max klappt.«
    »Auf jeden Fall. Ich bin mir sicher. Es fühlt sich an wie Schicksal. Sorry, ich muss jetzt auflegen, der Bote

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