Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
gesehen?«
»Gestern Abend, warum?«
»Ich dachte, es ist besser, wenn ich dich rechtzeitig vorbereite. Der Grabstein für ihn ist fast fertig. Meine Mom will deine Tante anrufen und einen Termin ausmachen, damit wir nächste Woche alle zusammen auf den Friedhof gehen können.«
»Oh.« Meine Finger wurden so kalt, als hätten sie eben den in Stein gemeißelten Beweis dafür, dass Logan wirklich tot war, berührt. »Also, ehrlich gesagt, will ich ihn mir gar nicht anschauen.«
»Ich kann auch darauf verzichten.« Ich hörte leises Rascheln, als würde er sich den Hörer ans andere Ohr halten. »Sag mal … was macht ihr eigentlich so, wenn er bei dir ist? Ich meine, ihr könnt ja schlecht …«
Obwohl er den Satz nicht beendete, wurde ich rot. »Hauptsächlich reden wir.«
»Worüber?«
»Über alles mögliche. Auch viel über früher.«
»Hey, kannst du dich noch erinnern, wie wir mal in Harpers Ferry campen waren und mein Vater uns Gespenstergeschichten erzählt hat?«
Ich musste lachen. »Ja, klar. Ich glaube, ich war sieben. Und du warst sechs.«
»Ja, ist lange her.« Seine Stimme klang für einen Moment traurig, dann wurde sie wieder lebhaft. »Das war witzig. Wir haben behauptet, dass es auf dem Campingplatz echte Geister gibt, und alle haben totale Angst bekommen.«
»Und dann haben sie beschlossen, die Zelte abzubauen und lieber im Motel zu übernachten. Bloß dass das Motel dann von richtigen Geistern heimgesucht wurde.«
»Ja, das war Pech. Trotzdem war ich froh, weil es da wenigstens keine Spinnen und anderen Krabbelviecher gab.«
»Ja.« Wir schwiegen. »Tja, dann … danke, dass du mich vorgewarnt hast«, sagte ich schließlich. »Ich schätze, wir sehen uns nächste Woche auf dem Friedhof.«
Als Dylan nicht antwortete, warf ich einen prüfenden Blick aufs Display, um zu sehen, ob vielleicht das Netz ausgefallen war, aber kaum hielt ich mir das Handy wieder ans Ohr, hörte ich ihn mit gepresster Stimme sagen: »Ich sitze hier auf dem Klo.«
»Aha.« Ich verzog das Gesicht. »Interessante Info, aber ich weiß nicht, warum ich das wissen muss.«
»Nein, ich meine … ich bin im Bad, weil ich nicht will, dass Logan mich hört.«
Jetzt verstand ich. Das Badezimmer war versiegelt. »Moment mal. Bist du … bist du etwa in dem oberen Bad?«
»Ja. Das hat was von einem schlechten Witz, was? Ein Geist, der den Ort, an dem er gestorben ist, nicht heimsuchen kann. Siobhan und Mickey duschen jetzt immer bei Mom und Dad, weil es ihnen hier zu unheimlich ist. Na ja, ich beschwere mich nicht. Ich hab dadurch ein Privatbad. Ich sag das nur, um zu erklären, warum ich dich von hier aus übers Festnetz anrufe. Zum Glück hatten wir noch ein altes Telefon mit Kabel, das ich anschließen konnte.«
»Und was hast du mir so Wichtiges zu sagen, was Logan nicht hören soll?«
»Ach so, ja.« Er senkte die Stimme. »Wünschst du dir manchmal, er wäre weg?«
Ich zuckte zusammen, als hätten mir seine Worte einen elektrischen Schlag versetzt. »Du meinst … für immer?«
»Ja.«
»Nein.«
»Wirklich nicht?«
»Nein, wirklich nicht.«
»Auch nicht, wenn du ganz, ganz ehrlich zu dir bist?«
»Warum fragst du mich das, Dylan? Wünschst du dir denn, dass er verschwindet?«
»Ich weiß nicht.« Er schwieg. »Ja. Manchmal schon. Vielleicht nicht für immer. Es ist einfach komisch, ihn so zu sehen …«
»Ich hab mich dran gewöhnt.«
»Ja, eben. Ich auch. Genau das macht mir Angst.« Er atmete so geräuschvoll aus, als hätte er bis jetzt die Luft angehalten. »Was, wenn er noch richtig lange hierbleibt? Ich meine, er ist mit siebzehn gestorben, was ist, wenn er in, keine Ahnung, in zwanzig Jahren immer noch hier ist? Dann wäre er länger Geist als Mensch.«
»Er ist immer noch ein Mensch.«
»Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, was wird, wenn wir beide eines Tages heiraten? Ich meine nicht, wir uns gegenseitig, sondern andere Leute«, schob er hastig hinterher. »Kommt Logan dann zur Hochzeit? Sitzt er bei unseren Kindern am Bett? Wird er jede Nacht in seinem alten Zimmer hocken und seine verdammte Gitarre anstarren?«
Ich spürte einen Kloß im Hals. »Wenn deine Eltern den Prozess im Januar gewinnen, wird er hinüberwechseln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von uns bis dahin verheiratet sein und Kinder haben wird. Es sei denn …«, versuchte ich einen Witz zu machen, »es gäbe da etwas, das du mir verschwiegen hast.«
»Vielleicht gewinnen wir den Prozess nicht«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher