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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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schmale Hand verschwand in einem Wust aus warmem, feuchtem Fell. Sie bemerkte,
    dass Bürgermeister Graskop fünf Finger und einen Daumen hatte, die alle in glänzend schwarzen Nägeln endeten.

    »Vielen Dank für das Pferd.«
    »Gefällt es Ihnen? Wir hätten gern etwas Originelleres ge-züchtet, wenn wir früher von Ihrem Besuch erfahren hät-
    ten.«

»Es ist ein sehr hübsches Pferd, vielen Dank. Meinetwe-
    gen brauchten Sie sich keine Umstände zu machen.«
    Der Bürgermeister ließ ihre Hand los, »Wenn wir recht
    verstanden haben, möchten Sie Zugang zu unserem Voten-
    prozessor.«
    »Ganz recht. Was ich zu tun habe, dauert nicht allzu
    lange. Der Eingriff ist nicht kompliziert.«
    »Aber hinterher bleiben Sie doch noch ein wenig bei uns?
    Wir haben nicht oft Gäste von Panoplia.«
    »Es wäre mir ein Vergnügen, Bürgermeister, aber diesmal ist der Zeitpunkt nicht günstig.«
    Er legte den riesigen Kopf schief. »Draußen gibt es Schwierigkeiten, wie? Wir haben die Berichte gehört, obwohl ich zugeben muss, dass wir solchen Vorgängen wohl nicht ge-nügend Aufmerksamkeit widmen.«
    »Nein«, sagte Thalia diplomatisch. »Keine Schwierigkei-
    ten. Ich habe nur Termine, die ich einhalten muss.«
    »Aber ein Weilchen können Sie doch bleiben?« Wenn der
    Bürgermeister sprach, sah Thalia seine gefährlich scharfen weißen Zähne und roch den süßlichen Duft animalischer
    Verdauungssäfte.
    »Es geht nicht. Wirklich nicht.«
    »Aber Sie müssen einfach, Präfekt.« Er sah zu den anderen Mitgliedern des Empfangskomitees hinüber, als wollte er Thalia ermahnen, sie nicht zu enttäuschen. Deren Gesichter hatten in den meisten Fällen noch menschliche
    Züge, auch wenn sie mit Fell oder Schuppen bedeckt oder nach irgendeinem tierischen Vorbild umgestaltet waren.
    Die Augen waren auffallend schön, feucht glänzend und
    von kindlicher Eindringlichkeit. »Wir haben gute Gründe, Sie zurückzuhalten«, beharrte der Bürgermeister. »Nur wenige Besucher von außerhalb verirren sich zu uns, und Vertreter der Obrigkeit schon gar nicht. Zu solch seltenen Anlässen pflegen wir spontan einen Wettbewerb oder ein
    Turnier zu veranstalten und unseren geehrten Gast zu bitten, sich an der Bewertung der Leistungen zu beteiligen.
    Wir hatten gehofft, Sie würden als Schiedsrichter in einem Luftduell zur Verfügung stehen ...«
    »Nur zu gerne, aber ...«
    Er lächelte triumphierend. »Dann ist ja alles klar. Sie bleiben.« Er klatschte vor Freude in seine Pranken. »Oh wie schön. Ein Präfekt als Schiedsrichter.«
    »Ich bin nicht...«
    »Lassen Sie uns zuerst den kleinen Eingriff am Voten-
    prozessor hinter uns bringen! Dann können wir uns dem
    Hauptereignis widmen. Es wird ein großartiges Luftduell!
    Würden Sie mir bitte folgen? Wenn Ihnen unsere niedrige Schwerkraft nicht behagt, können wir Ihnen auch einen Palankin zur Verfügung stellen.«
    »Ich komme gut zurecht«, beschied ihn Thalia knapp.

    Dreyfus saß vor seiner Konsole und verfasste eine Abfrage für die Suchturbinen. Er suchte nach Einträgen zur Familie Nerwal-Lermontow, überzeugt, dass der Name etwas bedeutete, aber nicht fähig, die einschlägigen Informationen aus den ereignisverstopften Verzeichnissen seines altern-den Gedächtnisses auszugraben. Er hatte die Abfrage kaum abgeschickt und spielte noch mit dem Gedanken, sich selbst zu trawlen, als plötzlich ein kurzes Zittern durch den Raum lief, als würde Panoplia von einem Erdbeben erschüttert.
    Er befürchtete das Schlimmste und hob die Manschette
    an den Mund, um seinen Unterpräfekten anzurufen. Aber
    er hatte Sparvers Namen noch nicht ausgesprochen, als
    seine Konsole ihm auch schon mitteilte, in der Turbinenhalle sei es zu einem schweren Zwischenfall gekommen.
    Dreyfus trat durch die Ankleidewand seiner Wohnung
    und ging durch die Felsengänge zum nicht rotierenden
    Bereich von Panoplia, wo die Suchturbinen standen. Noch bevor er dort eintraf, wurde ihm klar, dass es ein schlimmer Unfall gewesen sein musste. Präfekten, Techniker und Maschinen eilten an ihm vorbei. Als er den Eingang zum
    Schwerelosigkeitssaal erreichte, trugen Sanitätstrupps bereits die ersten Verwundeten heraus. Die Verletzungen waren schockierend.
    Ein Förderband zog ihn in die riesige Halle. Sprachlos be-staunte er das Spektakel. Wo einmal vier Suchturbinen gestanden hatten, gab es nur noch drei. Der hinterste Zylinder war verschwunden, nur die ärmelähnlichen Halterungen
    ragten noch aus der Innenwand. Das transparente

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