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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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vertrauensvoll um einen Anti-Segler-Artikel bitten, wenn sie die Nase von dem Segel-Heft voll habe, sagte sie. »Kein Problem«, sagte ich, »wenn es sein muß, hasse ich sogar das Meer und die Wellen und den Wind.«
    Zu einem Happy-End ist es noch nicht gekommen. Ein Happy-End wäre es, wenn diese Redakteurin und ich privat ein Paar wären. Noch aber sind wir nur Geschäfts-Komplizen. Mein Text über den Idiotismus des Segelns ist schon in Vorbereitung, und schon spitzt die Redakteurin auf eine Stelle in einer Kunstzeitschrift. Und das wollte ich schon immer mal: In einer dieser stockaffirmativen Kunstgutfindezeitschriften der modernen bildenden Kunst nach allen Regeln meiner Schreibkunst den Arsch versohlen. Wir haben noch viel zu tun: Architektur, Musik, Design, Literatur, Autos …
    Eine erotische Verbindung habe ich mit meinem Verführungsempfehlungsartikel für die Freßzeitschrift übrigens tatsächlich gestiftet. Eines Tages erhielt ich einen Leserbrief: Als ihr der Mann, der seit langem vergeblich hinter ihr her war, Olivenöl auf den Nabel goß und auf ihrem nackten, noch unwilligen Körper in alle Richtungen zu verteilen begann, habe sie das zwar nett, aber ziemlich herkömmlich gefunden, verriet mir eine schöne energische Frauenhandschrift, doch als dieser Mann dann dazu die Worte sprach: »Öl ist nicht so keusch wie Butter« - da sei sie von seinem Esprit überzeugt gewesen und habe seinem Drängen nach Hochzeit und Ehe nachgegeben. Leider habe sie feststellen müssen, daß ebendieser Mann nichts anderes im Kopf habe als feines Fressen, und der Satz, mit dem er ihr Herz gewonnen habe, sei auch nicht von ihm, sondern von mir, weswegen sie mich am kommenden Sonntag zu sehen hoffe. Sie mache in der Stadt, in der ich wohne, Station und erwarte mich in ihrem Hotelzimmer - zu ein paar Oliven und einem simplen Fläschchen Wein.

Liebeskummer
    Eine Erinnerung an das alte Nürnberger Bahnhofsrestaurant
    Der Liebeskummer hatte mich ausgehöhlt. Wenn man vom Schreiben lebt, ist Hohlsein kein guter Zustand. Mir fiel nichts mehr ein. Zwölf Jahre lang gab mir die Liebe Schwung und Stoff. Ich bin übrigens kein Mensch, der erotische Abenteuer hat. Erotische Abenteuer lehne ich ab. Schon den Ausdruck »erotisches Abenteuer« kann ich nicht ausstehen. Ich mag es auch nicht, wenn man Sex als Genuß bezeichnet. Sex ist nichts zum Fressen, und Liebe schon gar nicht. Sie ist wichtiger. Sie ist wie Luft.
    Der Teufel scheißt auf den dicksten Haufen, sagt der Volksmund, die alte Schnauze. Und der Millionär, der Affe, behauptet steif und fest, daß die erste Million die schwerste sei. Der weitere Reichtum wächst einem angeblich von selbst zu. Das Akkumulationsgesetz waltet in allen Bereichen. Ich kann das bestätigen. Hat man eine schöne Liebesgeschichte, kommen gleich zwei, drei, vier, fünf dazu.
    Zwölf Jahre hatte ich mit dem Koordinieren der Liebe alle Hände voll zu tun gehabt. Zwölf Jahre war es gutgegangen. Dann entglitt mir plötzlich eine der Liebschaften. Ich weiß bis heute nicht, warum. Und schon rutschen sie alle weg. Erosion. Weg war Ines, weg waren meine anderen Liebesgeschichten. Ich weiß nicht, für wen die Folgen verheerender waren, für mein Gemüt oder für meinen Ruf als Schriftsteller. Mein weites Herz wurde eng, und ich konnte immer nur das gleiche schreiben: Wie ein Mann von den Frauen und damit von allen guten Geistern verlassen wird. Mein Witz und meine Heiterkeit kamen mir abhanden, weil mir die Liebe abhanden gekommen war. Was für ein feuchter Christensatz: »Weil mir die Liebe abhanden gekommen war.« So dachte ich, so schrieb ich. Der Liebeskummer hatte meinen Stil versaut.
    Verschwörungsphantasien konnten nicht ausbleiben. Eines Tages im Winter war aus Teneriffa eine Postkarte von Ines, meiner ehemaligen Hauptgeliebten, gekommen, deren Abschied den Erdrutsch im letzten Sommer ausgelöst hatte. Die für ihre Verhältnisse erstaunlich üppige Grußbotschaft lautete: »Ich habe gerade eine Tomate gegessen, dabei an Dich gedacht und hoffe es geht Dir gut.« Gleich war ich starr vor Glück. Die Hoffnung, diese blöde Amsel, fing an zu flöten, mein Interpretationsvermögen kam auf Touren und deutete die Nachricht sofort zu meinen Gunsten: Ines mußte kurz vor der Einsicht sein, daß sie auf mich nicht verzichten konnte. Ich merkte, wie mein Optimismus und meine Lebensgeister zu erwachen begannen. Dann kam mir die Sache verdächtig vor. So poetisch hatte sich Ines nie ausgedrückt. Ich

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