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Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers

Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers

Titel: Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: FUEGO
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Weisheitszahn, der leicht rausging, und wurde zum Glück beim dritten fündig. Die Zähne bekam die Tochter anschließend ausgehändigt und kann sie jetzt ihrer beeindruckenden Zahnsammlung hinzufügen. Es sind neun Milchzähne, die ursprünglich alle mal die Zahnfee geholt hatte.
    Warum sie jetzt wieder in unserem Besitz sind, weiß ich auch nicht. Die Zahnfee tauscht ja bekanntlich Zähne gegen Geschenke um. Oft sind es Süßigkeiten, die am nächsten Morgen im Austausch für den Zahn unter dem Kopfkissen liegen. Wenn man die isst, kann man schnell noch mehr Zähne verlieren, die man wieder gegen Süßigkeiten eintauschen kann. Das geht bei Milchzähnen zwanzig Mal.
    Die Weisheitszähne der längst volljährigen Tochter sind mit ihren süßen Milchzähnen nicht zu vergleichen. Es sind angsteinflößende riesige Hauer. Die Tochter wird sie aber trotzdem unters Kopfkissen legen und erwartet einen angemessenen Gegenwert. Wir wollen ihr natürlich die Kindheitserinnerungen nicht zerstören und werden eine 300-Gramm-Tafel Vollmilch-Trauben-Nuss unter ihr Kopfkissen schieben.
    Sentimentale Reise in die Vergangenheit
    Beim Gedanken an die Milchzähne der Tochter fällt mein Blick auf ein Foto, das sie im Alter von sechs Jahren zeigt. Ein Alter, in dem die Weichen gestellt werden, ich war bei der Weichenstellung dabei und habe diesen Moment in bewegenden Worten festgehalten:

    Man macht sich einfach zu viele Gedanken über unwichtige Dinge. Würden nur drei Prozent der Bevölkerung konsequent über Afghanistan nachdenken, käme bestimmt einer auf die Lösung. Stattdessen sitzt man am Steuer eines Golf CL und macht merkwürdige Verrenkungen, weil man unbedingt wissen will, ob anatomisch überhaupt möglich ist, was man in Kriminalfilmen häufig zu sehen bekommt.
    Wenn mich jetzt jemand erschießen würde, könnte ich dann tatsächlich so nach vorne sacken, dass ich mit dem Kopf die Hupe berühre? Im Golf funktioniert das jedenfalls nicht. Oder warum gibt es Menschen, die keinen Hefekuchen backen können? Sind das dieselben, die lieber duschen als baden? Was signalisiert der seit Jahren beliebte Aufkleber »Baby an Bord«? Soll man besonders dicht auffahren, um den Text zu entziffern, oder soll man die Personen hinter dem Aufkleber einfach nur für ihren Kinderbesitz bewundern? Vielleicht könnte man ab sofort auch jedem Haushaltsgegenstand eine Folie beilegen, auf der steht »Neuer Toaster an Bord« oder »Fast neuer Staubsauger zu Hause«. Wahrscheinlich dient der Aufkleber einfach nur als Warnung: »Achtung, sollten Sie vorhaben, auf den Fahrer zu schießen, dann denken Sie daran, dass im Wagen auch noch ein Baby liegt, und wenn Sie das versehentlich erwischen, trifft das mit dem Kopf genausowenig die Hupe wie der Vater.« Einigen wir uns darauf.
    Es ist sowieso nie gut, auf Babys zu schießen, denn die sind ganz unschuldig und haben das Leben noch vor sich. Sie wachsen und werden größer dabei, und eines Tages werden sie einem von erbarmungslosen Mächten wieder entrissen. Am schwersten daran zu tragen hat der Mann hinter der Hupe, der Vater. Zwei besonders grauenvolle Momente stehen jedem Vater einer Tochter bevor. Der zweite ist natürlich der Moment, wo ein pickliger junger Mann mit schlechten Manieren und vollkommenem Desinteresse für die umfangreiche väterliche Tonträgersammlung das Herz der Tochter erobert.
    Aber der erste verhängnisvolle Einschnitt ist die Einschulung. Ähnlich wie bei der Hochzeit ist dieser Vorgang oft mit einem Gottesdienst verbunden, der bei uns sogar ökumenisch war. Wir haben unsere Tochter also kirchlich einschulen lassen. Als erstes fiel mir auf, dass die Pastorin Sandalen unter der Soutane trug. Das machte mich stutzig. Sicher, Jesus hat auch Sandalen getragen. Es hätte auch bestimmt merkwürdig ausgesehen, wenn er in High Heels oder Doc Martens herumgelaufen wäre, doch seitdem sind zweitausend Jahre vergangen und alle Bekleidungssünden wurden uns vergeben. Ich empfand das als kein gutes Omen. Die ziemlich vertrockneten Blumen auf dem Altar beunruhigten mich allerdings noch mehr. Deren Symbolgehalt konnte ich kaum noch übersehen. »Jetzt bist du noch das blühende Leben, aber wenn du lange genug in der Schulvase rumgestanden hast, wirst du schnell vertrocknet sein.«
    Andererseits ist diese brutale Ehrlichkeit auch schon wieder bemerkenswert, die halten mit ihren Absichten immerhin nicht hintern Berg. Die Sandalenpastorin rät, wir sollten alle ein wenig »nachdenken« über die

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