Aus dem Überall
verfallen wirkte. Unvermittelt erblickte er eine Gestalt, die sich am Strand davor bewegte. Ein richtiger Mensch? Er sprang auf und spähte hinüber. Er hatte seit vielen Jahren keinen Menschen mehr gesehen.
Ja – es war eine Person, ein merkwürdiges Geschöpf in Schwarz und Gold. Er winkte wie verrückt.
Die Gestalt am Strand hob zögernd den Arm.
Von Erregung ergriffen, schaltete Jakko den Computer aus und begann mit Steuerruder und Segel zu hantieren. Die Riffbrandung schien an dieser Stelle keine undurchdringliche Barriere zu bilden. Er wendete das Boot zum Ufer hin, ließ sich tragen von einer großen Welle. Aber die Welle rollte aus. Das Boot tanzte unruhig, die Brandung holte es ein und donnerte über das Deck. Das Boot kippte um. Jakko fiel ins Wasser. Er konnte schwimmen. Er tauchte auf, spuckte Salzwasser und näherte sich mit kräftigen Zügen der Küste. Kurz darauf watete er auf den weißen Strand, ein untersetzter, kräftig gebauter junger Mann mit hellen Haaren, wasserblauen Augen und sonnengeröteter Haut.
Die Fremde kam zögernd auf ihn zu. Jakko sah ein schmales, dunkelhäutiges Mädchen, das einen sonderbaren Hut mit Netzschleier trug. Sie war in orangegelbe Seidentücher gehüllt und umklammerte mit einer Hand derbe Arbeitshandschuhe. Drei Mondhunde folgten ihr mit aufgeregtem Getänzel. Als sie ihn erreichte, wand er eben das Wasser aus den Taschen seiner Shorts.
»Dein … Boot…«, sagte sie in der Sprache ihrer Zeit. Die Worte klangen leise und unsicher.
Sie starrten beide zu der aufgewühlten Stelle am Riff hin, wo das Segelboot halb gekentert in den Wellen schaukelte.
»Ich habe es abgeschaltet. Den Computer.« Auch seine Stimme wirkte ungeübt. Sie waren es nicht gewohnt, mit anderen Menschen zu sprechen.
»Die Strömung wird es dort drüben an Land spülen.« Sie deutete und beobachtete ihn dabei nachdenklich und mit großer Zurückhaltung. Sie war ein gutes Stück kleiner als er. »Warum hast du gewendet? Willst du etwa nicht zum Fluß?«
»Nein.« Er hustete. »Oder doch, eigentlich schon. Mein Vater möchte, daß ich Abschied von ihm nehme. Die Familie machte sich auf den Weg, während ich durch die Städte zog.«
»Du bist noch nicht … bereit?«
»Nein, ich …« Er unterbrach sich. »Lebst du hier allein?«
»Ja. Und ich werde auch nicht fortgehen.«
Sie standen unbeholfen im Seewind. Jakko sah, daß die drei Mondhunde in Reih und Glied hinter ihr standen und mit geschlossenen Augen in den Wind schnüffelten. Auf leisen Pfoten kamen sie näher. Natürlich stammten sie nicht vom Mond, aber man konnte es meinen, weil sie so weiß waren und so absonderlich gebaut.
»Es ist ein Ereignis für sie«, sagte das Mädchen. »Mal was ganz Neues.« Ihre Stimme wirkte jetzt sicherer. Nach einer Pause setzte sie hinzu: »Du kannst eine Weile hierbleiben, wenn du willst. Ich zeige dir alles, aber erst muß ich meine Arbeit beenden.«
Ihm fiel gerade noch ein, Danke zu sagen.
In die Steilküste waren Stufen gehauen. Als sie nach oben stiegen, fragte Jakko: »Was arbeitest du denn?«
»Ach, alles mögliche. Im Moment beschäftige ich mich mit den Bienen.«
»Bienen!« wiederholte er verblüfft. »Die lieferten früher einmal – Honig, nicht wahr? Ich dachte, sie seien längst ausgestorben.«
»Ich besitze viele Dinge aus der alten Zeit.« Sie musterte ihn immer noch aufmerksam, während sie die Stufen erklommen. »Bist du gesund?«
»Aber ja, warum nicht? Alpha durch und durch, soviel ich weiß. Ist doch jeder.«
»War jeder«, verbesserte sie ihn. »Hier sind meine Bienenkörbe.«
Sie umrundeten eine niedrige Mauer und blieben vor fünf kleinen Korbhütten stehen. Ein Insekt kam von ein paar gefiederten Sträuchern geflogen und surrte dicht an seiner Wange vorbei. Er sah, daß es im blütenübersäten Geäst von den goldenen Summgeschöpfen nur so wimmelte. Dann fiel ihm ein, daß die Tiere auch stechen konnten, und er wich zurück.
»Nimm den Weg außenherum«, riet sie ihm. »Einen Fremden könnten sie angreifen.« Sie schlug den Schleier vors Gesicht. Und als er sich zum Gehen wandte, fügte sie beiläufig hinzu: »Ich dachte, du könntest mir vielleicht ein Baby machen.«
Er blieb stehen. Die Bienen lenkten ihn so stark ab, daß ihm gar nicht richtig zu Bewußtsein kam, was sie da aussprach. »Aber ist das nicht schrecklich kompliziert?«
»Ich glaube nicht. Ich habe die Pillen.« Sie streifte die Handschuhe über.
»Ach ja, die Pillen – ich weiß.« Er runzelte
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