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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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Naivität konterkariert werden mussten.
    Als ich bestätigte, dass Updike oft über familiäres Unglück schrieb, lachte sie wehmütig auf und sagte: »Vielleicht sollte ich mal einen seiner Romane lesen, um herauszufinden, was in meiner Ehe schiefgegangen ist.«
    Dann bemerkte sie, dass sie kurz davorgestanden hätte, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen – »wegen seiner ewigen schlechten Laune« –, als dieser plötzlich irgendwo unweit des Lake Louise umgekippt sei, und zwar auf dem Rückweg von einem Angelausflug mit »einem seiner wortkargen Freunde«.
    Bis auf die Bemerkung, dass sie in den letzten zwei Jahren von keiner ihrer beiden Töchter besucht worden sei, war dies das erste und einzige Mal, dass ich einen winzigen Einblick in Babs Milfords Privatleben erhielt. Ansonsten beschränkten wir uns bei der Arbeit auf Smalltalk. Babs war politisch sehr interessiert. Sie brachte mir viel über kanadische Politik bei. Für eine Frau, die dermaßen lange im ultrakonservativen Alberta – dem »Texas des Nordens« – gelebt hatte, besaß sie in sozialen Fragen erstaunlich liberale Ansichten, angefangen von Frauenrechten (vor allem, was das Thema Abtreibung anging) über die Legalisierung der Schwulenehe bis hin zu der Auffassung, dass man die meisten Drogen ganz legal in staatlichen Spirituosenhandlungen verkaufen sollte.
    »Natürlich sage ich so etwas nicht in der Öffentlichkeit«, meinte sie in ihrem typisch zynischen Ton, »da in Alberta jeder Zweite entweder bibeltreu oder sehr rechtskonservativ ist, zumindest was die weniger vom Schicksal begünstigten Mitglieder unserer Gesellschaft angeht.«
    Babs stellte mir nur selten persönliche Fragen – wies aber im Kollegenkreis darauf hin, dass sie mein einziges Buch für die Bibliothek bestellt hätte, und zeigte es sämtlichen Anwesenden im Aufenthaltsraum. Ja, sie nahm es sogar mit nach Hause, um es zu lesen. »Sie sind wirklich verdammt klug«, sagte sie mir wenige Tage später.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, entgegnete ich.
    »Man kommt nicht nach Harvard und schreibt so ein Buch, wenn man nicht wirklich was auf dem Kasten hat. Überlegen Sie manchmal, wieder zu unterrichten?«
    »Im Moment nicht.«
    Sie quittierte diese Bemerkung mit einem kurzen Nicken. In diesem Moment wusste ich, dass sie es wusste … Mrs Woods hatte wahrscheinlich alle vor meinem ersten Arbeitstag über meine »Vergangenheit« unterrichtet. Und alle hatten einmütig von sich aus beschlossen, das Thema Kinder nicht anzuschneiden, wenn ich im Raum war.
    In der Central Library gab es über fünfzig Angestellte, aber ich hatte nur mit vieren regelmäßig Kontakt. Außer Babs waren da noch Dee Montgomery, eine Frau von Mitte dreißig mit Hasenzähnen, die prinzipiell von allem und jedem begeistert war.
    Dee war für die Nachschlagewerke zuständig – und als sie herausfand, worum es in meinem Buch ging, nahm sie mich extra mit in die »Krypta« (so hieß im Bibliothekarsjargon der Raum, in dem die gebundenen Zeitschriften und großen Lexika standen). Dort zeigte sie mir die vollständige Ausgabe von Munsey’s Magazine (zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein wichtiges Skandalblatt), eine Erstausgabe von Thorstein Veblens Theorie der feinen Leute , ja sogar mehrere signierte Bände von Mencken.
    »Das ist doch Ihre Epoche, oder?«, fragte mich Dee.
    »Ja, genau … Ich ahnte ja nicht, wie viel Sie aus dieser Zeit haben.«
    Ehrlich gesagt, war das gelogen. Schon an einem der ersten Arbeitstage sah ich im Computer nach und entdeckte, dass die Bibliothek wichtige Fachliteratur über den amerikanischen Naturalismus und die Progressive Era besaß. Aber ich versagte es mir, mich zu sehr für ihre Bestände zu interessieren. Denn das würde bedeuten, in die Vergangenheit zurückzukehren, was wiederum …
    »Wenn Sie vorhaben, ein weiteres Buch zu schreiben«, sagte Dee, »würde ich Ihnen gern dabei helfen. Wir können jede Menge Bücher von anderen Bibliotheken in Kanada bestellen. Und dann ist da noch ein ganzer Datensatz von …«
    »Die Zeiten, in denen ich Bücher geschrieben habe, sind vorbei.«
    »Sagen Sie das nicht.«
    »Es stimmt aber.«
    »Man kann nie wissen. Irgendwann …«
    Doch dann verstummte sie und sagte: »Meine Güte, was rede ich denn da. Ich weiß einfach nie, wann ich den Mund halten muss. Ich kenne Sie schließlich kaum und …«
    »Ist schon gut«, sagte ich. »Ich bin nicht beleidigt.«
    »Nein, es tut mir wirklich leid. Ich wollte nur helfen.«
    »Ist schon

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