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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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und uns in Ruhe zu lassen.«
    »Ich wollte nur helfen«, sagte Louise.
    »Sie haben mir sehr geholfen«, sagte ich.
    »Und Sie schulden mir einen Dollar fünfundzwanzig für den Kaffee«, sagte der Chef.
    Beim Verlassen des Restaurants klingelte mein Handy.
    »Nancy Lloyd?«, sagte eine Stimme, die ich dank der vielen Fernseh- und Radiointerviews sofort erkannte. »Hier spricht Reverend Larry Coursen. Sind Sie vielleicht zufällig in Townsend?«
    Woher wusste er das … oder war das nur eine Vermutung?
    »Ja, das bin ich.«
    »Nun, hier ist viel los – und das nicht nur wegen der armen Ivy MacIntyre. Aber wenn Sie jetzt gleich zur Kirche kommen, kann ich ein Viertelstündchen für Sie erübrigen.«
    »Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte ich und notierte mir schnell die Wegbeschreibung.
    Die war im Grunde überflüssig, da die Kirche der Pfingstgemeinde am Ende der Straße mit den Tankstellen lag. Es handelte sich um einen bescheidenen Bau aus roten Ziegeln, weshalb er an die Filialen des International House of Pancakes erinnerte. Rechts vom Haupteingang hing ein riesiges Plakat. Es zeigte ein sehr sauberes, sehr weißes Paar von Mitte dreißig, das zwei sehr saubere, sehr weiße Kinder (natürlich ein Junge und ein Mädchen) im Arm hielt. Beide waren ungefähr neun oder zehn Jahre alt. Ich spürte jenen ziehenden Schmerz, den ich immer empfand, wenn ich irgendeine Eltern-Kind-Szene sah – sei sie nun echt oder gestellt. Diesmal wurde der Schmerz jedoch von der Künstlichkeit der Fotografie und dem gefühlsduseligen Slogan unterlaufen, der verkündete: »Alle Familien werden auf wunderbare Weise in der Pfingstgemeinde von Townsend geheilt!«
    So wie auch Familie MacIntyre auf wunderbare Weise geheilt worden war?
    Ich stellte den Wagen auf dem riesigen Parkplatz ab. Der legte nahe, dass Coursen als Pastor entweder sehr erfolgreich oder aber unrealistisch optimistisch war. Ein großer, neuer Landrover Discovery parkte direkt neben der Kirche. Ich nahm an, dass er Coursen gehörte, da ein Aufkleber mit den Worten Preacher Man auf der Heckscheibe prangte. Das Kirchenportal stand offen, und ich trat ein. Im Vestibül hingen weitere überlebensgroße Fotos von glücklichen Gemeindemitgliedern, die aussahen, als würden sie nebenbei für den Land’s-End-Katalog modeln. Auf allen prangten Slogans wie: »Die göttliche Liebe besiegt alles!«, »In unserer Gemeinde sind wir alle eins!« Oder nur: »Lobet den Herrn!« Es gab auch Opferstöcke, über denen weitere Sprüche hingen wie: »Es tut gut, den Zehnten zu bezahlen!« und »Er ist immer für dich da!« Ich hatte zu Zeiten des Kommunismus zwar nie irgendein osteuropäisches Land besucht – dafür war ich noch zu jung –, stellte mir aber vor, dass dort alle öffentlichen Plätze mit ähnlichen Parolen zugepflastert waren. Schließlich durften die braven Bürger nicht vergessen: »Der Fünfjahresplan ist der einzige Weg in die Zukunft.«
    Wobei ich allerdings bezweifelte, dass sich ein osteuropäischer Apparatschik jemals wie Larry Coursen gekleidet hätte. Er musste mein Kommen bemerkt haben, da er aus dem Kirchenschiff ins Vestibül trat. Er trug eine schokoladenbraune Strickjacke, ein purpurrotes Hemd mit einem Kollar, leicht ausgestellte blaue Jeans und – damit man ja nicht vergaß, dass wir uns in Alberta befanden – auf Hochglanz polierte schwarze Cowboystiefel. Er war Anfang vierzig, hatte dichtes blondes Haar, das irgendwie frisiert wirkte, und – was mir bereits im Fernsehen aufgefallen war – ausnehmend weiße Zähne. Seine Stimme klang sanft und sonor.
    »Nancy, wie schön, Sie kennenzulernen«, sagte er und gab mir die Hand.
    »Danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen, Reverend.«
    »Bitte nennen Sie mich Larry.«
    »Gut, Larry …«
    »Und Sie arbeiten für die Vancouver Sun ?«
    »Ja, genau.«
    »Eine gute Zeitung. Sind Sie auch aus British Columbia?«
    »Nein, ich bin von der Ostküste.«
    »Von wo?«
    »Aus Ontario.«
    »Von wo genau?«
    »Aus Dundas«, sagte ich aufs Geratewohl, weil ich gerade einen Artikel über einen bekannten kanadischen Rocksänger gelesen hatte, der ein berühmter Fotograf geworden und in Dundas aufgewachsen war.
    »Dundas! Das ist ja unglaublich. Ich habe ganz am Anfang meiner Laufbahn als Pastor in Dundas gearbeitet!«
    Na prima.
    »Kennen Sie die Pfingstgemeinde an der King, Ecke Sydenham Street?«, fuhr er fort.
    »Natürlich. Ich bin oft daran vorbeigefahren.«
    »Gleich neben der Bay-Niederlassung.«
    »Genau. Ein

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