Aus der Welt
ziemlich moderner Bau.«
»Das sind alle Kirchen der Pfingstgemeinde. In Kanada sind wir eine noch ziemlich neue Glaubensrichtung. Treten Sie näher – ich zeige Ihnen, wo wir beten.«
Als er mir die Tür zur Kirche aufhielt, bekam ich es fast mit der Angst. Wie leichtsinnig von dir, eine so kleine Stadt als Heimat anzugeben! Warum hast du nicht Toronto oder Montreal genannt – irgendeine anonyme Großstadt?
Aber glücklicherweise hatte er mir das abgekauft, es schien zumindest so.
Der Hauptraum der Kirche sah aus, als hätte ein Sportstadion dafür Pate gestanden, nur, dass er in einem etwas kleineren Maßstab gehalten war. Es gab Sitzbänke, die alle mit weißem Kunstleder überzogen waren, sowie eine Kanzel auf einem Podest. Mehrere Scheinwerfer waren darauf gerichtet. Außerdem eine knallweiße Orgel mit goldlackierten Orgelpfeifen und einen Chorraum, der Platz für hundert Sänger zu bieten schien.
»Sehr beeindruckend«, sagte ich. »Wie gemacht für einen Fernsehgottesdienst.«
Ich sagte das vollkommen neutral und kein bisschen ironisch. Aber Coursen lächelte verkniffen und schien nicht recht zu wissen, wie er das auffassen sollte.
»Wenn Sie damit meinen, dass die Frohe Botschaft auch auf elektronischem Wege verbreitet wird, streben wir das als Kirche sicherlich an. Natürlich sind wir nur ein kleiner Ort in Kanada. Aber wie Sie wissen, hat auch Oral Roberts in einer kleinen Kirche in Tulsa, Oklahoma, angefangen – und inzwischen sind aus seiner Vision ein überregionaler Fernsehsender und eine eigene Universität hervorgegangen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich spreche hier nicht aus persönlichem Ehrgeiz, sondern eher für die ganze Gemeinde. Die Pfingstgemeinde von Townsend hat nämlich einen ganz besonders großen Zusammenhalt und große spirituelle Ziele, wenn es darum geht, die Frohe Botschaft zu verkünden.«
»Wie viele Mitglieder zählt Ihre Gemeinde?«
»Nun, über zweihundert sehr engagierte Seelen. Das klingt vielleicht wenig, ist aber ziemlich beachtlich für eine Stadt mit gerade mal fünftausend Einwohnern. Zeigen Sie mir eine andere Kirche in Townsend, die fünf Prozent der Bevölkerung auf sich vereint.«
Er bat mich, auf einer der kunstlederbezogenen Bänke Platz zu nehmen, und setzte sich ziemlich nahe neben mich.
»Darf ich fragen, welcher Religionsgemeinschaft Sie angehören?«, sagte er.
»Ich bin ohne Bekenntnis.«
»Verstehe. Und warum?«
»Ich denke, ich bin einfach nicht gläubig.«
Er nickte und schenkte mir ein halb onkelhaftes, halb mitleidiges Lächeln.
»Für viele Menschen ist der Glaube das Allerschwerste. ›Der Glaubenssprung‹ und all das. Aber er ist auch das größte Geschenk überhaupt. Es umfasst das ewige Leben und eine wunderbare Seelengemeinschaft, die uns bei unserem irdischen Leben unterstützt.«
Ich zückte meinen Stift und meinen Block.
»Wollen Sie mir damit zu verstehen geben, dass ich das Thema wechseln soll?«, fragte er.
»Ich möchte Ihre kostbare Zeit nur nicht über Gebühr beanspruchen.«
»Das ist eine sehr geschickte Antwort«, sagte er, »auch wenn Sie mir damit ausweichen. Wurden Sie religiös erzogen, Nancy?«
»Mein Vater war ungläubig, meine Mutter Unitarierin – was aus Ihrer Sicht sicherlich ebenfalls mit Unglaube gleichzusetzen ist.«
»Nun, Unitarier glauben nicht wirklich an die göttliche Offenbarung oder an das Paradies, nicht einmal an die Existenz von Wundern … So gesehen verstehe ich ehrlich gesagt nicht, was die Unitarier aus ihrer Religion ziehen.«
»Es handelt sich um einen Glauben, der nicht auf Gewissheit, sondern auf Zweifeln beruht.«
»Gehen Glaube und Zweifel wirklich zusammen?«
»Geht das eine nicht unweigerlich mit dem anderen einher? Man kann nicht glauben, wenn man keine Zweifel hat.«
»Nun, das sehe ich anders. Der Glaube schließt Zweifel aus. Der Glaube schenkt uns die Kraft, es mit den Herausforderungen des Lebens aufzunehmen. Der Glaube schenkt uns eindeutige Antworten auf die größten Fragen der Menschheit. Meinen Sie nicht, dass sich daraus enorm viel Trost ziehen lässt?«
»Wenn Sie eindeutige Antworten brauchen, ja.«
»Jeder von uns braucht eindeutige Antworten«, sagte er.
»Das ist Ihre Auffassung, aber nicht die meine.«
»Sie können also mit ewigen Zweifeln leben, egal, wie weh das tut?«
»Vielleicht tut es noch mehr weh, sich zu einem Glauben zu bekennen, den man nicht hat.«
Larry Coursen reagierte mit einem kurzen Lächeln. Er genoss diesen
Weitere Kostenlose Bücher