Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
Vom Netzwerk:
Schlagabtausch, zumal er merkte, dass ich mich zunehmend unwohl fühlte.
    »Wir alle haben einen Glauben, Nancy. Und wir alle besitzen die Kraft, uns zu erneuern. Wir müssen nur das größte Geschenk akzeptieren, das wir zu Lebzeiten bekommen können.«
    »Hat sich Brenda MacIntyre auch erneuert?«
    Noch so ein Lächeln vom Reverend.
    »Ja, Brenda hat eine wunderbare Verwandlung erlebt. Als sie das erste Mal zu mir kam, steckte sie in einer tiefen Krise. Sie war wütend, unfreundlich, alkoholabhängig und hatte einen Riesenhass auf die Welt …«
    »War sie gewalttätig?«, fragte ich.
    »Bestimmt wäre sie die Erste, die zugibt, dass sie mit Gewalt groß geworden ist. Dass sie einen gewalttätigen Mann geheiratet hat und insofern mit Gewalt vertraut war.«
    »Aber war sie auch selbst gewalttätig?«
    »Was meinen Sie genau mit ›gewalttätig‹?«
    »Nun, dass sie ihre Kinder körperlich bestraft hat …«
    »Bestimmt hat sie ihre Kinder geschlagen, wenn sie ungezogen waren. Aber George? Das war eher andersherum. Er ist wiederholt auf sie losgegangen.«
    »Obwohl mehrere Leute, die ich befragt habe, sagen, dass George MacIntyre von Ihrem Gemeindemitglied angegriffen wurde?«
    Kaum hatte ich die Worte »Ihr Gemeindemitglied« in den Mund genommen, formten seine Lippen nur noch einen schmalen Strich. Das gefiel ihm ganz und gar nicht.
    »Und wer sollen diese Leute sein?«, fragte er.
    »Ich darf Ihnen meine Quellen nicht nennen.«
    »Nun, ich kann Ihnen eindeutig versichern, dass ich in Brenda MacIntyres Seele geschaut habe. Denn als sie Jesus als ihren Herrn und Heiland anerkannte, hat sie mir sämtliche Sünden gebeichtet. Sünden, von denen sie jetzt reingewaschen ist. Insofern kann ich Ihnen eindeutig sagen, dass sie gegenüber ihrem aggressiven Mann, dieser tragischen Figur, niemals Gewalt angewendet hat.«
    »Wurde Ivy MacIntyre auch von sämtlichen Sünden reingewaschen?«, fragte ich.
    »Ivy war gerade dabei, das Geschenk der Offenbarung anzunehmen, als sie verschwand.«
    »Was bedeutet …?«
    »Brenda hatte sie ein paarmal mit hierhergenommen. Sie fing an, sich mit gleichaltrigen Gemeindemitgliedern anzufreunden. Sie ist mir mehrmals begegnet, wobei wir lange, vertrauliche Gespräche geführt haben.«
    »Und bei diesen Gesprächen ging es um …?«
    »Um ihre Probleme. Um ihre Akzeptanz der Sünde als Lebensform. Um ihre Probleme mit Jungs und Drogen.«
    »Sie war schon mit dreizehn keine Jungfrau mehr?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Was meinen Sie dann mit ›Probleme mit Jungs‹?«
    »Genau, was ich sage. Sie hatte Probleme mit Jungs.«
    »Und was die Drogen anbelangt …?«
    »Sie hat mir gebeichtet, Gras zu rauchen.«
    »Das ist nicht ungewöhnlich für Dreizehnjährige.«
    »Wollen Sie etwa damit sagen, dass Sie es gutheißen, wenn Teenager kiffen?«
    »Nein, nur, dass es nicht gerade schockierend ist, wenn eine Dreizehnjährige das mal ausprobiert.«
    »Haben Sie es ausprobiert, als Sie dreizehn waren?«
    »Nein – ich war sechzehn.«
    »Hat es Ihnen so gut gefallen, dass Sie nicht mehr davon loskamen?«
    »Ehrlich gesagt, nein.«
    »Nun, Ivy hat es gefallen …«
    »Dann muss ich mich wohl geirrt haben.«
    »Ich glaube auch«, sagte er.
    »Ivy musste also ›gerettet‹ werden?«
    »Ich kann nur so viel sagen, dass sie mit Sicherheit zu Gott in den Himmel käme, wenn sie jetzt aus diesem Leben scheiden müsste. Denn kurz bevor sie verschwand, hat sie Jesus als ihren Herrn und Heiland anerkannt.«
    »Das haben Sie mir vorher nicht gesagt.«
    »Das haben Sie mich vorher auch nicht gefragt.«
    »Aber ich frage Sie jetzt.«
    »Ja, bei einem unserer letzten vertraulichen Gespräche wurde sie endlich wiedergeboren.«
    »Was bedeutet, dass sie jetzt im Paradies ist.«
    »Sie ist nicht tot«, sagte er.
    »Wie können Sie sich da so sicher sein?«
    »Ich weiß es einfach.«
    »Weil Ihr Glaube Ihnen Gewissheit gibt? Die meisten Vermisstenfälle, bei denen das Kind innerhalb von achtundvierzig Stunden nicht zurück ist, entpuppen sich als Verbrechen … und der Entführer bringt das Kind in der Regel um.«
    »Aber dieser Fall ist anders, und zwar in zweifacher Hinsicht: Erstens ist Ivy kein Kind, sondern eine Heranwachsende. Und Heranwachsende, die vermisst werden, landen oft auf der Straße …«
    »So wie Hildy Krebs und Mimi Pullinger?«
    »Ganz genau.«
    »Sie wissen, dass sie auf der Straße gelandet sind?«
    »Ich muss annehmen, dass sie auf Abwege geraten sind.«
    »Aber wenn Ivy errettet wurde,

Weitere Kostenlose Bücher