Aus der Welt
versucht, aus Ihnen schlau zu werden, Jane. Aus der Ferne, sozusagen. Die Geliebte des berühmten David Henry – ich habe ihn sogar rezensiert, auch sein letztes, verrücktes Buch. Sie haben eine brillante Doktorarbeit in Harvard geschrieben und dann eine Dozentenstelle an der Wisconsin University abgelehnt, eine Stelle, für die die meisten Jungakademiker einen Mord begehen würden. Dann gab es eine Niederlage in der großen weiten Welt des Geldes – oder waren andere Gründe dafür verantwortlich als berufliches Versagen? Nachdem Sie dann in letzter Minute als Ersatz für unsere geliebte Professorin Holder eingestellt wurden – ja, ich habe sie angemacht, nur um meinem Ruf alle Ehre zu machen –, sind Sie – tata! – auch noch für die Suspendierung eines führenden Sportlerdickschädels verantwortlich. Da dachte ich mir: Die ist klasse. Echt tough und gleichzeitig zum Anbeißen. Sie haben hier einigen Leuten dermaßen Bescheid gegeben, davon können die meisten alten Säcke nur träumen.«
»Schön, dass ich auch Fans habe.«
»Haben Sie derzeit einen festen Freund?«
»Das ist aber eine ziemlich persönliche Frage.«
»Ich bin nur neugierig.«
»Nein, ich bin Single.«
»Wollen Sie einen? Natürlich nur in Teilzeit.«
Ich lachte. »Sie machen wirklich jede an, was?«
»Klar.«
»Danke für den Drink, Professor.«
Als ich wieder zu Hause war, rief ich Christy in Oregon an und erklärte ihr, wie ich mich um jede Chance gebracht hatte, an der New England State befördert zu werden.
»Die eigenen Moralvorstellungen sind ein ewiges Dilemma und oft sehr quälend«, sagte sie. »Wenn man das Richtige tut, wird man dafür bestraft. Tut man das Falsche, wird man ebenfalls bestraft – und zwar von einem selbst. Nicht, dass du eine Neigung dazu hättest.«
»Warum muss im Leben alles so widersprüchlich sein?«
»›We do not what we ought / What we ought not, we do / And lean upon the thought / That chance will bring us through.‹«
»Browning?«, fragte ich.
»Fast. Matthew Arnold.«
»Wer zitiert heute noch Matthew Arnold?«
»Ich«, sagte sie. »Somit kann ich Ihnen nur raten, Madame , sich ins innere Exil zu begeben. Geh an die Uni, mach deine Kurse, sieh zu, dass du gut mit deinen Studenten klarkommst. Achte darauf, dass du für sie da bist, wenn sie dich brauchen. Hab großzügige Sprechstundenzeiten, wenn Studenten etwas mit dir zu besprechen haben. Veröffentliche dein Buch. Und wenn man dich nicht direkt darum bittet oder deine Meinung hören will, ignorierst du deine Fakultätskollegen und die hohen Tiere in der Verwaltung höflich. Du bist anwesend, aber gleichzeitig auch nicht – wenn du verstehst, was ich meine. Außerdem würde ich an deiner Stelle, bei dem vielen Geld, was du auf der Bank hast, etwas davon ausgeben. Möglichst nicht für etwas Vernünftiges.«
Ich beherzigte Christys Rat. Als ich am Montag wieder an die New England State kam, hielt ich mein Seminar und meine Sprechstunde und verschwand ansonsten von der Bildfläche. Ich hielt diese Schmalspurtaktik für den Rest der Woche durch – und konzentrierte mich darauf, für meine Studenten da zu sein, möglichst gute Vorlesungen zu halten und meinen Kollegen auf dem Campus mit einem höflichen, aber distanzierten Kopfnicken zu begegnen.
Während ich mir diesen beruflichen Modus Vivendi angewöhnte, hatte ich ausnahmsweise auch mal Glück: Mein Buch Die höllische Dualität wurde zur Veröffentlichung angenommen – und zwar ausgerechnet von der University of Wisconsin Press. Und dann heißt es, Amerika sei eine ironiefreie Zone! Ich verschwieg die Neuigkeit. Aber als ich zwei Tage später zur Fakultätssitzung kam, eröffnete Professor Sanders das Treffen mit den Worten: »Ein Kollege von der University of Wisconsin hat mich gestern angerufen und gesagt, dass Miss Howards Buch dieses Jahr bei ihnen im Universitätsverlag erscheinen wird. Natürlich wollen wir ihr zu diesem Erfolg gratulieren.«
Dann ging er zum nächsten Tagesordnungspunkt über.
Nach der Sitzung kam Stephanie Peltz auf mich zu und sagte: »Oh, mein Gott, dein Buch wurde angenommen! Und dann noch von der Wisconsin Press! Der Verlag zählt zu den zehn besten Verlagen Amerikas!«
Ich würde eher sagen, zu den zwanzig besten, trotzdem …
»Oh, das ist ja fantastisch, Jane. Warum hast du nur nichts gesagt?«
Ich schwieg und dankte ihr für ihre Glückwünsche. Dann nahm mich Marty Melcher beiseite.
»Sie sind wirklich eine große Nummer. Wie alle aus
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