Ausersehen
sagte er und schaute demonstrativ zu meinem Weinkelch.
„Aus rein medizinischen Gründen“, zog ich ihn auf und gab ihm einen spielerischen Klaps auf die Hand. Dann lächelte ich Carolan an und fragte in konspirativem Ton: „Habe ich nicht recht, Mr. Heiler?“
„Er wird auch der Nektar des Lebens genannt“, erwiderte er bedächtig.
„Siehst du!“, rief ich aus und boxte ClanFintan in die Seite, woraufhin er nur dumpf aufstöhnte. Mich an Alanna wendend, verkündete ich: „Dann muss ich sicherstellen, dass wir bei eurer offiziellen Hochzeitszeremonie ausreichend Wein vorrätig haben.“
Soweit das überhaupt möglich war, errötete Alanna bei meinen Worten noch tiefer. Auf Carolan hatten sie jedoch genau den entgegengesetzten Effekt – sein Gesicht verfärbte sich in ein fürchterliches Grauweiß, und einen Moment machte ich mir Sorgen, dass wir eher einen Bestatter als eine Priesterin benötigen könnten. Dann sprach er durch seine zusammengebissenen Zähne. Ich spürte, wie ClanFintan unter dem offenen Hass in seiner Stimme zusammenzuckte.
„Lady Rhiannon, ich halte Sie vieler schändlicher Taten für fähig, aber das …“
Seine Stimme wurde lauter, und sein Körper zitterte vor unterdrückter Wut. ClanFintan ließ meine Hand los und stellte sich schützend vor mich.
„Gib acht, was du zu Mylady sagst, Heiler.“ Seine Stimme klang wie der Tod.
„Wenn Sie wüssten, wie sie wirklich ist, würden Sie sie nicht verteidigen!“ Carolan spuckte auf den Boden vor mir.
Alanna und ich sprangen auf, als ClanFintan so schnell vorstürzte, dass sein Körper nur ein verschwommener Fleck war. Bevor ich auch nur irgendetwas sagen konnte, um ihn aufzuhalten, hatte er Carolan auf die Knie gezwungen.
„Bitte sie um Vergebung“, sagte er grollend.
„Nein!“, schrie ich und zog an ClanFintans Arm, der hart wie Stahl war, damit er seinen Griff löste. „Ich bin diejenige, die sich entschuldigen muss. Ich hätte es besser erklären müssen – ich habe einfach nicht nachgedacht.“ ClanFintan sah verwirrt aus, aber er löste seinen Griff und erlaubte Carolan, sich wieder aufzurichten.
Alanna stand an meiner Seite, und schnell nahm ich eine ihrer Hände. Dann, bevor er mich noch einmal anspucken oder Ähnliches tun konnte, nahm ich auch eine von Carolans Händen und legte Alannas hinein.
„Du bist derjenige, den sie heiraten wird – noch heute. Man hätte euch niemals auseinanderbringen dürfen.“ Ich warf meinem immer noch etwas aufgewühlten Ehemann einen entschuldigenden Blick zu. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er so ausflippen würde.“
Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die beinahe Frischvermählten. Carolans Augen waren weit aufgerissen (und sein Mund stand nicht sonderlich attraktiv offen, aber ich dachte, es sei unhöflich, das zu erwähnen). Ich nickte und schenkte ihm einen Blick, der ihm versicherte, dass ich die Wahrheit sprach. Er schaute Alanna an, als erwarte er, dass sie sich in etwas Schreckliches verwandelte (und in dieser Welt konnte man ja nie wissen). Als ihr glückseliges Lächeln jedoch endlich zu ihm durchdrang, schnappte er hörbar nach Luft.
Bevor er wieder durchdrehen konnte (und meinen Mann veranlasste, ihm etwas zu brechen, das er später noch brauchte – wie zum Beispiel sein Genick), legte ich meine Hände über ihre und fing direkt mit einem von Longfellow geborgten Hochzeitsspruch an.
„Es gibt nichts Heiligeres in unserem Leben als die erste Ahnung von Liebe – das erste Flattern ihrer seidigen Flügel – den ersten Klang und Atem des sich erhebenden Windes, der so bald durch unsere Seelen fährt.“
Ich drückte ihre Hände und ließ sie dann los.
„Ich würde gern sagen, dass ich euch nun vereint habe, aber ich weiß, dass ihr schon lange vor dem heutigen Tag eine Einheit geworden seid. Also sagen wir stattdessen lieber: Nun ist es endlich offiziell.“ Ich schaute in Carolans schockiertes Gesicht und fuhr fort: „Ehre sie immer und bis ans Ende deiner Tage.“ Dann trat ich zurück und lächelte die beiden an. „Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“ Was für ein großartiger Satz.
Anstatt Alanna zu küssen, schaute Carolan mich mit seinem durchdringenden Blick an und fragte: „Wer sind Sie?“
20. KAPITEL
Ich öffnete den Mund, um zu antworten, aber Carolan kam mir zuvor.
„Nein! Versuchen Sie nicht, die Wahrheit mit verdrehten Worten zu verschleiern. Ich kenne Rhiannon. Ich habe endlose Jahre damit verbracht, sie zu hassen.
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