Ausersehen
Schweigen brachte.
„Pst“, sagte er. „Die Grasebene endet hier.“
Er deutete nach vorn, und tatsächlich sah ich, dass das hohe scharfe Gras nur wenige Meter vor uns so abrupt endete, wie es angefangen hatte. Vor uns breitete sich eine Wiese aus.
Ich schaute mich im schwindenden Licht um. Auf der anderen Seite stand eine Baumreihe. Kein schöner Wald mit laubbedecktem Boden wie auf dem Hinweg. Hier waren die Bäume wild und dick, ein undurchdringlicher Dschungel aus Zypressen, Weiden und Nesselbäumen, zwischen denen riesige, rotspitzige Elefantenohren wuchsen und etwas, das aussah wie mutierter Hibiskus.
Als wir da so schweigend standen, drang ein wunderschönes Geräusch an unsere Ohren. Wir bemerkten es gleichzeitig, und mit strahlenden Augen lächelten wir einander an.
„Der Fluss“, sagte ClanFintan leise.
„Danke, Göttin! Endlich!“
„Pst.“ Er legte einen Arm um mich und flüsterte in mein Ohr: „Wenn wir den Fluss hören können, heißt das, dass die Kreaturen irgendwo zwischen hier …“, er nickte zu dem hinter uns liegenden Sumpf, „… und dem Ufer lauern.“
„Wie sollen wir an ihnen vorbeikommen?“, fragte ich leise.
„Sie erwarten, dass ein Zentaur mit einer Frau auf dem Rücken durch das Unterholz bricht, aber nicht zwei Menschen, die leise und unsichtbar durch die Büsche schleichen können.“
„Und welche zwei Menschen können das?“
Er drückte meine Schulter und gab mir einen Kuss auf den Scheitel.
„Wir beide.“
„Oh ja, hätte ich beinahe vergessen.“
„Deshalb hast du mich ja geheiratet – damit ich dich an die Dinge erinnern kann, die du beinahe vergessen hast.“
Ich war so überaus froh, ein schelmisches Lächeln um seine Mundwinkel spielen zu sehen. Vielleicht würde wirklich alles wieder gut werden.
„Und ich dachte, ich hätte dich nur wegen deiner tollen Fußmassagen geheiratet.“
„Die spielten natürlich auch eine entscheidende Rolle.“ Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Wir müssen uns bewegen wie die Jägerinnen. Langsam und lautlos. Ohne im Gebüsch zu rascheln. Setze deine Füße immer vorsichtig auf die feuchtesten Flecken des Bodens. Versuche, Zweigen und trockenen Blättern auszuweichen.“
Ich hörte aufmerksam zu und bereitete mich mental auf die vor uns liegende Aufgabe vor.
„Was ist, wenn wir gesehen werden?“
Er nahm mich an den Schultern und drehte mich so, dass er mir direkt in die Augen schauen konnte. „Dann rennst du zum Fluss. Halt nicht an. Kümmere dich nicht um mich. Lauf einfach zum Fluss und schwimm hindurch.“
„Aber …“
„Nein! Hör mir zu. Sie werden mich nicht erkennen. Sie werden denken, dass ich einfach nur ein weiterer menschlicher Mann bin. Ich kann dir die Zeit verschaffen, die du brauchst, um den Fluss zu überqueren. Sobald du in Sicherheit bist, werde ich den Wandel anrufen und zu dir kommen.“
In meinen Ohren klang das wie ein ganzer Haufen Mist. Ich setzte an, ihm das zu sagen, aber er bohrte seine Finger tiefer in meine Schultern.
„Denk daran, was sie dir antun werden, wenn sie dich fangen. Ich könnte es nicht ertragen.“ Der Schmerz, der sich in seinen Augen spiegelte, war beinah körperlich spürbar. „Mit mir können sie nicht mehr machen, als mich zu töten – aber dir können sie viel mehr antun.“
„Okay, ich werde zum Fluss laufen.“
Seine Miene entspannte sich, genau wie sein Griff um meine Schultern. Er beugte sich herunter und gab mir einen sanften Kuss.
„Dann lass uns endlich diesen Sumpf hinter uns lassen. Tritt nur dahin, wohin ich getreten bin.“
„Okay, du hast die Verantwortung.“
Er umarmte mich und grinste.
„Für den Moment“, fügte ich hinzu.
Langsam bewegten wir uns vorwärts, ließen die Grasebene hinter uns und betraten eine Welt voll urzeitlicher Bäume und dichtem Unterholz. Auf eine Art war es schlimmer als der Matsch und das Gras, denn da hatten wir einfach vor uns hin stolpern und uns darauf konzentrieren können, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Hier jedoch bewegte ClanFintan sich in Zeitlupe, und ich machte es ihm nach. Wir konnten nicht in gerader Linie Richtung Osten gehen, sondern mussten uns im Zickzack durch das Gebüsch schleichen und dabei Haufen mit trockenem Laub und herumliegende Äste umgehen. Es schien mir, dass wir für jeden Schritt nach vorne zwei zur Seite machten. Und um eine schwierige Situation noch schwieriger zu machen, senkte sich langsam die Dämmerung herab und erschwerte es uns, das nächste
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