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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Erdäpfel.«
    Kein Ort schien ihm sicher genug. Die offene Straße nicht, Restaurants sowieso nicht, und Parkbänke … nein, auch nicht. Schließlich landeten sie auf einem kleinen Jahrmarkt am Rand des Central Park, und Block schlug eine Fahrt mit dem Riesenrad vor. »Ich weiß nicht, ob man uns da oben auch belauschen kann, aber es wird jedenfalls schwieriger sein, denke ich.«
    Also lösten sie zwei Karten. Die Gondeln waren so klein und der Besucherstrom so dünn, dass sie gleich darauf weitgehend allein in den strahlend blauen Himmel gehoben wurden.
    »In Wien gibt es ein ganz berühmtes Riesenrad«, erzählte Block dabei. »Viel größer natürlich; gigantisch. Im Prater. Die haben Kabinen aus alten Eisenbahnwagons verwendet, da können Sie sich vorstellen, was das für Ausmaße hat. Aber ich bin nie damit gefahren. Ich wollt’s immer, mein Leben lang, aber es ist nie dazu gekommen. Verrückt, oder? Ich bin Österreicher, aber ich kenn das Riesenrad im Prater nur von Erzählungen.«
    Markus nickte, besorgt darüber, dass Block vom Thema abzukommen schien. »Wollten wir nicht mit der Vorlesung Einführung in die Block-Methode anfangen? Lektion eins?«
    »Ja«, erwiderte Block, unverwandt nach unten auf das Treiben zwischen den Buden schauend. Er schien gar nicht registriert zu haben, was Markus gesagt hatte. »Was fällt Ihnen bei dem Wort ›Bakterien‹ ein?«
    »Bakterien? Hmm.« Okay. Mitspielen. War wohl ein Ablenkungsmanöver für eventuelle Mithörer. »Krankheitserreger.«
    »Mehr nicht?«
    »Lungenentzündung. Durchfall. Hygiene. Händewaschen. Desinfektion …«
    Block nickte schwer. »Sehen Sie? Ganz falsch. Sie können Ihre Hände waschen wie ein Chirurg, es bleiben trotzdem eine Milliarde Bakterien auf der Haut Ihres Körpers übrig. Sie haben überall Bakterien – an Haaren, Augenwimpern, auf dem Augapfel, auf dem Zahnschmelz. In Ihrem Darm leben hundert Milliarden Mikroorganismen, über vierhundert Arten, von denen eine Menge so lebenswichtig sind, dass Sie sterben würden, wenn sie verschwinden. Bakterien sind lebenswichtig, verstehen Sie? Man hat Ihnen ein ganz falsches Bild davon vermittelt. Aber so ist das. Die gesamte intellektuelle Welt ist verseucht von falschen Vorstellungen.«
    Er hatte es mit wachsendem Ingrimm vorgebracht, und nach diesem Ausbruch schwieg er erst einmal wieder.
    »Das ist sicher alles richtig«, sagte Markus schließlich, »aber was es mit Öl zu tun hat, verstehe ich nicht.«
    Nun sprach Block leiser. »Ich erklär’s Ihnen schrittweise, von Anfang an. Ich will, dass Sie sich als Erstes klarmachen, dass Sie selber aus etwa zehn Billionen Zellen bestehen, aber über hundert Billionen Bakterien enthalten. Das ist das Verhältnis. Zehn zu eins. Dann möchte ich, dass Sie sich klarmachen, dass Sie ohne diese Bakterien nicht leben können. Ausgeschlossen. Verstehen Sie, Bakterien hat es schon vor Milliarden von Jahren gegeben, ehe an uns Menschen überhaupt zu denken war. Bakterien brauchen uns nicht. Die Erde ist ihr Planet. Wir leben nur, weil sie uns mit allem versorgen, was wir brauchen. Sie erzeugen den Sauerstoff, den wir atmen. Sie reinigen das Wasser, das wir trinken. Sie machen den Boden fruchtbar, und die Pflanzen, die wir darauf anbauen, ernten und essen, zerlegen sie in die Stoffe, die wir brauchen – Zucker, Aminosäuren und so weiter. Ohne Bakterien könnten wir nichts anfangen mit dem, was wir für Nahrung halten.«
    Markus verstand immer noch nicht, was das sollte, war aber dennoch beeindruckt. »Hmm. Habe ich mir noch nie so klargemacht.«
    »Lassen Sie das auf sich wirken. Lassen Sie es wirklich in sich einsinken. Wir Menschen verdanken der Welt der Bakterien alles. Unsere gesamte Existenz.« Block sah Markus an. Er wartete, bis die Gondel den unteren Punkt ihrer Bahn passiert hatte und wieder emporstieg, dann fügte er hinzu: »Ist der Gedanke da so weit hergeholt, dass wir ihnen vielleicht auch das Öl verdanken?«
    Markus öffnete unwillkürlich den Mund, aber er brachte kein Wort heraus. Es war ein Gefühl, als habe ihn ein nasser Sandsack getroffen.
    »Das haben Sie sich noch nie überlegt, oder?«
    »Nein«, brachte Markus mühsam heraus. »In der Tat nicht.«
    »Sehen Sie? Die Gehirnwäsche unserer akademischen Bildungssysteme. So schränkt sie die Menschen ein, verengt ihren Blick.« Sie stiegen höher, er schaute wieder in die Ferne. Seine Stimme bekam einen beinah schwärmerischen Ton. »Bakterien existieren überall. In tiefen Vulkanen, im

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