Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
jedoch sehr wohl – derjenige in der Firma mit den besten Computerkenntnissen. Der Systemadministrator kannte zwar die Computer in- und auswendig, die Software, mit der sie arbeiteten – selbstredend die von Lakeside and Rowe –, dagegen höchstens in Grundzügen. Markus hatte ihm bei der ersten sich bietenden Gelegenheit auf die Finger gesehen, als er das Masterpasswort eingetippt hatte. Damit konnte er alle Spuren verwischen, die er bei dem, was er vorhatte, verursachen würde.
Er brauchte drei Stunden, bis er aus dem Firmenkapitel einen größeren Betrag unauffällig abgezweigt hatte. Das Geld – es handelte sich um dreihunderttausend Dollar – seinem Bruder anonym zukommen zu lassen war dagegen vergleichsweise einfach. Die Weltwirtschaft war ein riesiger, den Erdball umspannender Organismus, und das Finanzsystem war dessen Blutkreislauf. Dessen Kapillaren reichten, fein und feinst verästelt, überallhin – und genau wie dem Blutkreislauf eines Körpers kein einziger Tropfen Blut entkommt, entkommt dem Finanzsystem kein einziger Cent. Auch seine Manipulationen erzeugten kein Geld aus dem Nichts, aber sie würden wenigstens sechs Monate lang nicht auffallen. Und bis dahin würde er den Fehlbetrag ebenso mühelos wie unauffällig aus seinen demnächst unzweifelhaft üppig fließenden persönlichen Einnahmen ausgleichen können.
Gegenwart
A bu Jabr fühlte eine wachsende Unruhe, die er sei nem Alter und seiner Würde unangemessen fand. Aber in der Stunde solcher Not in der Fremde zu sein! Das Telefon war nur ein unzureichender Ersatz für seine Anwesenheit zu Hause.
Inzwischen hatte er einige Leute erreicht, aber jeder erzählte ihm etwas anderes. Im Grunde wusste er nicht, was wirklich los war. Und wieso erreichte er Zayd nicht? Das verstand er nicht. Ebenso wenig, wie er verstand, wie Wasimah dazu kam, solche respektlosen Dinge über ihren Ehemann zu sagen.
Nebenan hustete Mandhur und fing an, leise vor sich hin zu weinen. Abu Jabr öffnete die Tür. Eine der Dienerinnen redete dem Jungen beruhigend zu.
»Wo ist Wasimah?«
»Fortgegangen«, erwiderte die Frau. Sie stammte aus Malaysia, und ihr Arabisch war kaum zu verstehen.
»Wann?«
»Halbe Stunde.«
Abu Jabr hatte nichts davon mitbekommen. Anscheinend tat diese Frau, was sie wollte, sobald man einmal abgelenkt war!
In diesem Moment ging die Tür zum Krankenhausflur auf. Wasimah kam herein, ein längliches Paket unter dem Arm. Zweifellos etwas, das sie eingekauft hatte. Frauen schienen nur fürs Einkaufen zu leben.
»Wo warst du?«, fragte Abu Jabr streng.
Wasimah riss die Augen auf. »Beten«, sagte sie. »Es war Zeit für das Nachmittagsgebet.« Sie hielt ihm ihre Armbanduhr hin. Es war eine dieser neumodischen Uhren, die einen an die genauen Gebetszeiten erinnerten.
»Gebetet?«, wiederholte Abu Jabr. »Wo denn?«
»Im Erdgeschoss gibt es einen Andachtsraum.«
Jetzt erkannte er, dass das unter ihrem Arm überhaupt kein Paket war, sondern ein zusammengerollter dünner Gebetsteppich, wie man ihn auf Reisen mitnahm. »So«, sagte er und räusperte sich. »Hast du etwas von Zayd gehört?«
Wasimah schüttelte den Kopf. »Er weiß, dass Mandhur krank ist. Das genügt ihm.«
Mandhur hustete wieder, und sie ging ohne ein weiteres Wort zu ihm. Abu Jabr zog sich in das andere Zimmer zurück und hörte von dort, wie sie beruhigend, beinahe einlullend auf den Jungen einredete.
Er sah seufzend aus dem Fenster, auf die in frostigem Licht daliegende Parklandschaft. Er verlor hier das Zeitgefühl. Sollte er das verpasste Gebet nachholen? Nein, entschied er nach einem Blick auf seine eigene Uhr, zu spät. Er würde nachher das Maghrib einhalten. Vor allem musste er zur Ruhe finden. Die Ungewissheit erstickte ihn, und dann diese eigenwillige Frau …
Ein paar Gesprächsfetzen von nebenan ließen ihn aufhorchen.
»Werde ich wirklich gesund werden?«, fragte Mandhur leise.
Worauf Wasimah antwortete: »Das weiß ich nicht, mein Kind. Das liegt allein in Allahs Hand. Wie alles auf der Welt.«
»Aber wozu machen wir dann diese Behandlung?«
Abu Jabr musste schmunzeln. Eine gute Frage. Er war gespannt, was Wasimah darauf sagen würde.
Eine Weile überhaupt nichts. Dann: »Dass alles Allahs Wille ist, heißt nicht, dass wir nichts zu tun brauchen. Wir machen diese Behandlung, weil wir hoffen, dass sie dir hilft. Vielleicht wird es dir dadurch besser gehen, vielleicht aber auch nicht. Das haben wir nicht in der Hand, das liegt allein bei Allah. Aber
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