Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Professor Oswald. Wenn er den um den Finger wickeln konnte, würde er jeden auf diesem Planeten um den Finger wickeln.
»So eine Firma musst du aber erst mal finden.« Silvios Gesicht war ein Bild absoluter Skepsis.
Markus grinste. »Wo ist das Problem? Wenn wir bei Lakeside and Rowe arbeiten, sind wir in der besten denkbaren Position dafür.« Er musste langsam aufhören zu reden. Er plauderte alles aus, seinen ganzen schönen Plan. »Hast du dir mal die neuen Analyseprogramme angeschaut? Das Datamining -Modul? Das ist der Hammer. Das ist ein Röntgengerät für Unternehmen.« Genug. Er würde ihm nicht auch noch auf die Nase binden, wie er es machen wollte. Dabei lag es auf der Hand. Er musste in den technischen Service wechseln. Technischer Service, das hieß Installation der Software, und Installation hieß, Testläufe zu machen. Auf welcher Datenbasis? Natürlich mit den bisherigen Kundendateien der betreffenden Bank oder Investmentgesellschaft. Mit anderen Worten, wenn er sich nicht dumm anstellte, konnte er aus jeder Firma, in der er das Update zum Laufen brachte, mit einem Dossier der vielversprechendsten Kandidaten für sein Vorhaben heimgehen.
Aber Silvio hatte gar nicht richtig zugehört. Der Ramazotti schien ihn eher streitlustig zu machen. »Ich glaube das sowieso nicht«, erklärte er. »Es gibt durchaus Leute, die was erfinden und steinreich werden.«
Markus beugte sich über den Tisch, sah ihn an. »Ja? Kennst du so jemanden?«
»Liest man immer wieder«, erwiderte Silvio.
Draußen hupte ein dicker Wagen ausdauernd, weil er nicht an einem Lieferwagen vorbeikam. Auf den Gehsteigen drängten sich die Menschen. Die echt italienische Hintergrundmusik lief zum dritten Mal. Markus lehnte sich wieder zurück. »Mein Vater war so jemand«, sagte er, obwohl er nie vorgehabt hatte, jemandem ein Wort davon zu erzählen. »Ein Erfinder. Hat jeden Tag in der Werkstatt verbracht, getüftelt, sich um nichts und niemanden gekümmert. Meine ganze Kindheit hindurch haben wir von dem Geld gelebt, das meine Mutter nebenher verdient hat. Und das hat er oft auch noch für irgendwelche Geräte ausgegeben oder für Chemikalien, Rohrleitungen und solches Zeug.«
»Ach so«, sagte Silvio leise. »Entschuldige.«
»Er hat nie was verdient«, fuhr Markus fort. »Erst am Ende seines Lebens hat er endlich was erfunden, das uns reich gemacht hat. Aber eben erst am Ende seines Lebens; er hat nichts mehr davon gehabt.«
Silvio seufzte betrübt. »Was für eine traurige Geschichte.« Er zögerte. »Und was … Ich meine, was hat er erfunden?«
Markus starrte ins Leere, geplagt von Erinnerungen, die er vergessen geglaubt hatte. »Das ist das Seltsame daran«, sagte er. »Das wissen wir nicht.«
»Bitte?«
»Er hat seine Erfindung an eine Firma verkauft und ist kurz darauf bei einem Autounfall ums Leben gekommen. In seinem Labor fand man keinerlei Unterlagen, nichts. Aber auf dem Konto waren zwei Millionen Euro.«
Er schob das Likörglas beiseite, sah aus dem Fenster, sah sein Gegenüber an. Silvio erwiderte den Blick und schien zu verstehen, dass er nicht weiter darüber reden wollte.
Auf der Rückfahrt erzählte Silvio wieder von seiner Flamme. »Ich glaube, sie ist nicht verheiratet. Jedenfalls trägt sie keinen Ring. Es holt sie auch niemand ab oder so, und in dem Bilderrahmen auf ihrem Schreibtisch ist bloß ein Bild von einem Hund.«
»Du hast sie ja regelrecht ausspioniert«, staunte Markus.
»Na ja«, meinte Silvio verlegen. »Ich meine … Ich weiß auch nicht.«
Markus musterte ihn mit einem kurzen Seitenblick. »Du musst sie ansprechen. Den Papagallo in dir wecken. Je eher du rausfindest, ob sie auf so was steht, desto besser.«
»Und wenn sie nicht darauf steht?«
»Ihr Pech. Dann weißt du, dass du weitersuchen musst. Wie du schon gesagt hast: Es gibt hundert Millionen Amerikanerinnen.«
Am Montagmorgen im Bus sagte Silvio: »Heute sprech ich sie an.« Als sie abends zurückfuhren, seufzte er: »Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Normalerweise bin ich nicht so schüchtern.«
»Dann muss etwas anders sein als sonst«, meinte Markus.
Silvio sah verträumt aus dem Fenster. »Weißt du, sie hat wunderschöne Augen. Das ist mir heute so richtig aufgefallen.«
»Ah ja? Ich glaube, ich ahne, was anders ist als sonst.«
»Morgen«, erklärte Silvio. »Morgen packe ich es.«
Am Dienstagmorgen verdrückte er sich, als sie das Gebäude betraten. Wenig später kam er an Markus’ Schreibtisch, übers ganze
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