Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
hatte er nie erwartet. Doch er hatte sich stets viel zugetraut, hatte große, wilde, maßlose Träume geträumt im Vertrauen darauf, dass man das durfte, ja musste , dass ein Traum, den man stark genug zu träumen im Stande war, einem die Kraft gab, ihn letzten Endes zu verwirklichen. Das war, was er aus all diesen Artikeln, Geschichten, Lebensberichten herausgesogen hatte; der Nektar, an dem er sich gelabt und mit dem er sich innerlich frei von der Angst gehalten hatte, die seinen Vater beherrscht hatte, ja, das ganze Land. Um zu der inneren Freiheit die äußere zu finden, hatte er keinen anderen Weg gesehen als den nach Amerika. Nur dort, so hatte er geglaubt, wurde einem die Freiheit zugestanden, zu siegen oder zu scheitern. Dort, so hatte er geglaubt, gab es die Angst nicht, die einen an beidem hinderte.
Und nun das. Die Lebensbeichte eines Mannes, der Amerika und seine Ideale zu verteidigen geglaubt hatte, indem er sie verriet. Der sich von einer kollektiven Angst hatte leiten lassen und dabei geglaubt hatte, die Freiheit zu retten.
Und sein Vater hatte deshalb sterben müssen.
Und die Erfindung, die vielleicht revolutionär gewesen wäre, ebenfalls.
Vielleicht war es das, worum er in Wirklichkeit trauerte. Um einen Traum vom wahren Leben.
Gegen elf Uhr war die Kerze heruntergebrannt. Er löschte sie, nahm die Taschenlampe und machte sich ans Werk.
»Sie waren ein Narr«, hatte Taggard ihm, unter anderem, ins Ohr geflüstert. »Sie brauchen Diesel? Heizöl ist nichts anderes. In meinem Haus ist eine Ölheizung, erinnern Sie sich? Gewiss, der Tank ist leer – aber nur, soweit es die Heizung anbelangt. Man füllt einen Heizöltank immer auf, ehe das letzte Zehntel des Inhalts verbraucht ist, wussten Sie das nicht? Man lässt ihn nicht ganz leer werden, weil das letzte Zehntel der Sumpf ist, voller Schwebstoffe und anderer Verunreinigungen. Meine Heizung ist verstopft, und daraufhin habe ich sie abgeschaltet, aber das letzte Zehntel ist immer noch im Tank. Gut dreißig Gallonen, schätze ich. Sie müssen sie nur ablassen und filtern …«
Der Öltank stand ganz hinten in der Garage, ohne größere Vorsichtsmaßnahmen als die, dass er an der Stelle so weit vom Wohnbereich weg war wie möglich. Er hatte am unteren Ende sogar einen Ablasshahn.
Markus suchte aus den Regalen alle Filtertüten zusammen, die er fand, dann ging er nach hinten, mit der Taschenlampe, den Kaffeefiltern, einer Kasserolle und leeren Wasserkanistern.
Es war eine langwierige Arbeit: einen halben Liter Heizöl in die Kasserolle ablassen, dann durch das Filterpapier in den Kanister rinnen lassen, bis schwärzlicher, grießeliger Schmutz alles verstopfte. Den Filtereinsatz wegwerfen, einen neuen einsetzen, weiter. Es stank, bis man nach einer Weile unempfindlich wurde.
Gegen vier Uhr morgens hatte er den Wagen aufgetankt und noch zwei volle Kanister im Kofferraum. Er packte seine Tasche, nahm auch die Schmutzwäsche mit, alles an Geld, was er fand, und von den Vorräten, was er brauchen konnte. Einige von den Werkzeugen. Nicht zu viel, damit das Auto nicht zu schwer wurde. Gewicht kostete Sprit.
Zuletzt packte er noch die Notizbücher Blocks ein, die seit seiner Ankunft unbeachtet auf einem Stapel alter Zeitungen herumgelegen und Staub gesammelt hatten. Mochten sie auch nichts wert sein, war er doch ihretwegen hergekommen.
Hatte er sich zumindest einmal gesagt. Im Augenblick wusste er nicht, warum und wozu er hier war. Nur, dass er weiter musste.
Dann galt es. Er öffnete das Garagentor, leise, leise, unendlich behutsam. Zwar mochte die Nacht gerade am tiefsten sein, aber dafür trug sie auch die Geräusche jetzt am weitesten.
Stille. Niemand, der »Alarm« schrie. Einfach nur Dunkelheit.
Markus ging zum Wagen, zog die Tür auf. Die Innenbeleuchtung hatte er vorsorglich ausgeknipst, die Tür geöffnet, ehe er ans Garagentor gegangen war, und auch jetzt schlug er sie nicht zu, zog sie nur klickend heran, griff nach dem Zündschlüssel, glühte vor. Jetzt. Lass es klappen. Auf Anhieb.
An wen war diese Bitte gerichtet? Nicht an den Gott des Reverends, das stand fest. Markus drehte den Schlüssel, der Anlasser jaulte wie eine Sirene, und der Motor sprang an. Und Gas. Einfach losfahren, ohne Licht, aufs Geratewohl, Hauptsache in Schwung kommen, stark genug, damit sie ihn nicht mehr stoppen konnten.
Niemand versuchte es auch nur. Draußen auf der Straße schaltete Markus das Standlicht ein, fand die Richtung und fuhr einfach drauflos,
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