Ausgeliebt
zwei Jahren einen Studienkollegen wieder. Er hatte eine Anwaltskanzlei in Bremen übernommen, wollte
sich auf Medienrecht spezialisieren und suchte einen Partner. Ich fand die Idee großartig. Sabine lehnte sofort ab, mit nach
Bremen zu gehen, also blieb sie in Berlin, ich zog in eine kleine Wohnung in Schwachhausen, habe einen klasse Job und in der
Woche meine Ruhe. Es ist besser so.«
Wir telefonierten über zwei Stunden. Als ich danach ins Bett ging, fühlte sich meine Seele gestreichelt.
Leonie rüttelte an meiner Liege.
Ich öffnete die Augen, Leonie sah zu mir runter.
»Ach, Christine, war das wieder gut. Was ist? Hast du geschlafen? Du siehst völlig weggetreten aus.«
Ich nickte nur kurz, streckte mich und antwortete: »Ich war einen Moment lang weg. Wollen wir gleich den nächsten Saunagang
machen?«
|166| Leonie hatte schon ihr Handtuch über dem Arm. »Aber jetzt sofort, komm, erhebe deinen müden Körper.«
Die Sauna war dieses Mal voll, wir konnten uns nicht unterhalten. Leonie musterte unauffällig die anderen Saunagäste und schloss
dann die Augen.
Ich konnte meine Gedanken wieder zu Richard wandern lassen.
Nach diesem ersten Gespräch hatten wir in den letzten zwei Wochen achtmal telefoniert.
Jedes Gespräch hatte mindestens eine Stunde gedauert. Ich war überrascht, wie viele Themen wir fanden. Richard fragte mich
nach allen Details meines Jobs, ließ sich alles erklären, fand alles spannend. Ich erzählte ihm von meinen Buchhändlern, von
den Kollegen, die ich getroffen hatte, er erklärte mir in groben Zügen das Medienrecht, beschrieb die Fälle, an denen er gerade
saß.
Wir redeten über Bücher, er las viel, ließ sich Vorschläge von mir machen, fragte, in welcher Bremer Buchhandlung er das Buch
kaufen sollte. Drei Tage später erzählte er mir stolz den Inhalt, er hatte die ganze Nacht gelesen.
Er gab mir das Gefühl, ihn schon jahrelang zu kennen, der Wunsch, ihn zu treffen, wurde immer größer.
Charlotte war selig, Edith schwieg.
Mich trug die Vorfreude auf die Telefonate durch die Tage.
Das Thema Sabine klammerten wir aus. Ich traute mich nicht zu fragen, ob er jedes Wochenende nach Berlin fuhr und diese Ehe
trotz allem noch lebte. Er redete zwar über die vergangenen schwierigen Jahre, sagte aber nichts mehr zu dem, was jetzt war.
Ich verdrängte meine Fragen und die Gedanken und nahm mir vor, die Dinge einfach geschehen zu lassen.
Leonie setzte sich auf und wechselte die Saunabank. Ich setzte mich neben sie. Sie lächelte mich kurz an und betrachtete ihre |167| rotlackierten Zehen. Ich hatte den Anflug eines schlechten Gewissens, weil ich ihr nichts von Richard erzählte. Sie hätte
sich gefreut, allein schon, weil ich mich wieder mit einem Mann beschäftigte. Ich wusste nur selbst noch gar nicht, was hier
mit mir passierte.
Sie sah auf die Sanduhr und machte eine Kopfbewegung zur Tür. Wir nickten uns zu, gingen zusammen raus, auf die kalten Duschen
zu.
Leonie nahm unser Gespräch vor ihrer Massage nicht mehr auf. Wir beschränkten uns auf allgemeinere Themen, die Sauna hatte
sich mittlerweile gefüllt, wir saßen nie ungestört.
Nach dem letzten Saunagang tranken wir noch unser übliches Sauna-Feierabend-Bier in dem kleinen Bistro vor den Umkleideräumen.
Leonie sah erholt und zufrieden aus. Sie hob ihr Glas.
»Wie ein Tag Urlaub, das war doch wieder schön. Wo musst du eigentlich morgen hin?«
Ich bemühte mich um einen neutralen Gesichtsausdruck. »Ich fahre morgen nach Bremen. Vier Termine.«
Leonie trank einen Schluck und wischte sich den Schaum vom Mund.
»Das geht ja, dann bist du früh zu Hause.«
»Ja«, sagte ich. Und dachte: Entschuldige, Leonie, es ist nur eine kleine Notlüge.
Am Abend packte ich meine Unterlagen zusammen und nahm anschließend meine kleine Reisetasche vom Schrank.
Während ich meine Klamotten durchsah und überlegte, was ich anziehen sollte, fühlte ich, wie die Aufregung immer größer wurde.
Ich setzte mich aufs Bett und sah auf die leere Tasche.
Beim letzten Telefonat hatte Richard unvermittelt gefragt: »Wann bist du eigentlich das nächste Mal in Bremen?«
»Übermorgen.«
Seine Antwort kam nach einer kleinen Pause.
»Dann sollten wir uns sehen.«
|168| In meinem Kopf tauchten Bilder auf. Berlin. Sein Gesicht. Der Kuss. Das Hotel. Seine Wohnung.
Edith versuchte es.
»Du hast in Bremen noch nie übernachtet, das ist doch Schwachsinn. Du bist in einer guten Stunde zu
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