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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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an, mein Mund trocken. Ich suchte verzweifelt den Anfang. Richard war ungeduldig, ahnte nichts
     von meiner Qual.
    »Hallo, wer ist denn da?«
    Ich beeilte mich, nahm die Hürde.
    »Hallo, Richard, äh, hier ist Christine, ich, also Georgs Schwester.«
    Edith verdrehte die Augen.
»Toller Einstieg.«
    Am anderen Ende entstand eine kleine Pause. Dann hörte ich wieder seine Stimme. Sie klang verhalten.
    »Christine. Das ist ja nett. Wie geht es dir denn so?«
    Ich hatte keine Vorstellung von seiner Reaktion gehabt, hatte nicht mit Jubelschreien oder Tränenausbrüchen gerechnet, aber
     dieses »Nett« klang ganz schief. Ich gab mich betont lässig.
    »Mir geht es gut, danke. Dorothea hat mir deine Grüße ausgerichtet und mir deine Visitenkarte gegeben, da dachte ich, ich
     rufe dich doch mal an. Mal hören, was du so treibst.«
    Edith schüttelte den Kopf.
»Was für ein beknackter Satz.«
    Richard schien nichts anderes erwartet zu haben. Seine Antwort klang unverbindlich.
    »Ach ja, Annekes Geburtstag. Dorothea hat mir erzählt, dass ihr noch Kontakt habt, obwohl sie nicht mehr mit deinem |161| Bruder liiert ist. Das finde ich gut. Wie geht es Georg denn? Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört, ist er noch in Berlin?«
    Das lief ja völlig aus dem Ruder. Mit so einem Gesprächsverlauf hatte ich nicht gerechnet, als ich vorhin gefühlsduselig um
     die Alster gelaufen war.
    Edith schon.
»Ich habe es dir doch gesagt.«
    Charlotte hoffte noch.
    Ich beantwortete Richards Frage.
    »Nein, Georg lebt seit zwei Jahren auch in Hamburg. Er ist jetzt freier Journalist, hat aber jede Menge Aufträge. Es geht
     ihm gut.«
    Pause.
    Dann wieder Richard.
    »Aha. Schön. Was heißt denn auch? Ach ja, eure Schwester wohnt ja auch da, wie heißt sie noch? Iris?«
    »Ines.«
    »Ja, genau. Das ist ja gut. Dann hast du jetzt ja zwei Übernachtungsmöglichkeiten.«
    Edith brach fast zusammen.
»Das wird ja immer schlimmer.«
    Ich zündete mir eine Zigarette an, sah, dass meine Hand zitterte.
    Richard bemerkte: »Du rauchst noch.«
    Zum ersten Mal hörte ich ein Lächeln in seiner Stimme. Ich räusperte mich.
    »Ja, ich rauche noch. Und Übernachtungsmöglichkeiten brauche ich in Hamburg auch nicht mehr, ich wohne jetzt hier.«
    Pause.
    Dann seine Stimme, wieder neutral. »Hattet ihr das Landleben satt?«
    »Nicht wir. Ich.«
    Jetzt war ich gespannt.
    Seine Antwort war enttäuschend. »Ach so, na ja, ich habe es umgekehrt gemacht. Ich bin aus Berlin in einen Vorort von Bremen
     gezogen, fast schon Dorf. Aber man gewöhnt sich daran.«
    Charlotte bettelte.
»Los, frag ihn was Privates.«
    |162| Edith winkte ab.
»Das ist ja wohl das dämlichste Telefonat, das du seit Jahren geführt hast.«
    Ich war ihrer Meinung und setzte mich gerade hin.
    »Also, Richard, ich wollte dich auch nicht stören, es war nur wegen Dorothea und der Visitenkarte. Jedenfalls wünsche ich
     dir noch einen schönen Abend.«
    Richards Antwort war genauso unverbindlich.
    »Ja, dann danke für den Anruf. Vielleicht treffen wir uns mal zum Mittagessen, ich bin öfter beruflich in Hamburg.«
    Edith war in Fahrt.
»Mittagessen. Geschäftsmäßiger geht es wohl nicht. Der setzt dich auch noch von der Steuer ab.«
    Ich blieb verzweifelt locker.
    »Sicher, du kannst dich ja mal melden. Schönen Abend noch.«
    Charlotte war kreuzunglücklich.
    Und Edith sagte:
»Der Arsch hat noch nicht mal nach deiner Telefonnummer gefragt.«
     
    Ich blieb in meiner geraden Haltung am Tisch sitzen, hielt immer noch den Hörer in der Hand und hatte das unbändige Verlangen,
     ihn quer durch das Zimmer an die Wand zu feuern. Stattdessen stand ich auf, ging mit schnellen Schritten zweimal durch meine
     Wohnung, um mich zu beruhigen. Schließlich stand ich vor meinem roten, sicheren Sessel. Ich ließ mich hineinfallen, stand
     wieder auf, holte zornig mein Weinglas und setzte mich wieder.
     
    Edith bohrte in der Wunde.
»Da machst du dich zum Affen, steigerst dich den ganzen Tag in alberne Gedanken rein, erwartest Gott weiß was von einem Typen,
     von dem du sechs Jahre nichts gehört hast, und bist dann enttäuscht, weil er dich abbügelt. Mimose.«
    Charlotte war immer noch fassungslos.
»Aber da war irgendetwas zwischen euch in Berlin. Das hast du dir doch nicht eingebildet. Und er hat dich grüßen lassen, vielleicht
     war er einfach nur überwältigt und unsicher durch deinen Anruf.«
    |163| Edith lachte höhnisch.
»Überwältigt. Ha! Das soll wohl ein Witz sein. Wir reden hier

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