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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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dich jetzt schon so durcheinander, dass es jeder mitkriegt. Super.«
    Leonie musterte mich immer noch. Nachdem keine Antwort |158| von mir kam, drehte sie sich wieder auf den Rücken. Ihre Stimme klang verschnupft.
    »Du musst nichts erzählen, wenn du nicht willst. Aber du warst am Telefon vorgestern Abend auch so kurz angebunden. Ich frag
     ja nur.«
    Sie starrte in die Luft.
    Ich zupfte sie versöhnlich an ihrem Bademantelärmel.
    »Wenn ich was hätte, würde ich dir das erzählen. Vorgestern habe ich noch auf einen anderen Anruf gewartet, deshalb wollte
     ich nicht so lange telefonieren.«
    Ich machte eine Pause, Leonie fragte aber nicht nach. Dafür drehte sie ihren Kopf und sah mich wieder an. »Ich soll dir also
     glauben, dass dich im Moment nichts umtreibt? Ich kenne dich doch, du kaust doch auf irgendetwas rum.«
    Ich suchte nach Formulierungen, mit denen ich Leonie weder anlog noch zu viel preisgab.
    »Es ist nicht so konkret. Ich habe im Moment zu viel Zeit, meine Termine sind fast alle abgearbeitet, ich habe nur noch eine
     Hand voll Besuche vor mir. Und wenn ich zu oft frei habe, gehen mir lauter Gedanken durch den Kopf. Ob ich überhaupt mit dem
     Alleinleben klarkomme, ob ich mich jemals wieder verlieben kann, ob ich mich überhaupt noch mal auf eine Beziehung einlassen
     will, ob ich jemals wieder jemandem vertrauen kann, solches Zeug halt.«
    Ich fand, ich hatte Richard elegant umschifft.
    Leonie setzte sich auf.
    »Natürlich wirst du dich wieder verlieben. Und wenn du das getan hast, wirst du dich auch wieder einlassen können. Es braucht
     vielleicht noch Zeit. Nimm dir doch erst mal einen Liebhaber, unverbindlich, nur um hin und wieder Nähe zu spüren. Du brauchst
     doch auch mal Sex.«
    Ich starrte sie verblüfft an.
    »Leonie, du empfiehlst mir nicht ernsthaft, eine heimliche Geliebte zu werden?«
    Mittlerweile war sie aufgestanden und sah auf mich runter.
    |159| »Meine Güte, sei nicht so moralisch. Ich rede ja nicht davon, dass du gleich eine Affäre anfangen sollst, aber du kannst doch
     mal über deine Bedürfnisse nachdenken und denen auch folgen. Du wirst in acht Wochen vierzig, sei nicht so verklemmt.«
    Ich war sprachlos.
    Leonie merkte das und lachte. Sie setzte sich auf das Fußende meiner Liege und legte ihre Hand auf meine zugedeckten Beine.
    »Sieh es doch mal so. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder hast du einen Partner, der deine Bedürfnisse erkennt, sie ernst
     nimmt und versucht, sie zu erfüllen, dann ist das Glück. Oder du hast einen Partner, dem deine Bedürfnisse egal geworden sind
     und der sich auch nicht mehr zuständig fühlt, dann kannst du das vergessen. Du hattest leider mit Bernd die zweite Variante,
     mach aber nicht den Fehler, dass du deine Bedürfnisse verdrängst, auf die hast du nämlich ein Anrecht.«
    Sie erhob sich wieder und sah auf die Uhr.
    Ich musste fragen. »Wie ist es bei dir?«
    Leonie lächelte. »Ich habe viel Glück. Aber ich habe jetzt meinen Massagetermin bei diesem niedlichen Masseur. Das ist eines
     der wenigen Bedürfnisse, die Michael nicht erfüllen kann. Dafür schenkt er mir zum Geburtstag seit zwei Jahren einen Gutschein
     für zehn Massagen. Also, ich gehe jetzt, bis später.«
    Ich sah ihr nach, wie sie durch die Glastür zum Innenbereich verschwand.
    Ich wickelte meine kalten Füße fester in die Wolldecke und legte mich bequem zurück. Leonies Worte gingen mir durch den Kopf.
     Meine Bedürfnisse waren in den letzten Jahren wirklich unter die Räder gekommen, ich wusste eigentlich nicht genau, welche
     ich überhaupt hatte.
    Charlotte wusste eines.
»Richard ist ein Bedürfnis.«
    Ich stellte mir Richard als meinen Liebhaber vor und bekam sofort Herzklopfen.
    Edith winkte ab.
»Blödsinn, du bist wieder so dämlich und verliebst dich sofort. Und dann kannst du das vergessen.«
    |160| Ich vergrub mich tiefer in meinen Bademantel und hatte wieder dieses Richard-Gefühl in der Magengrube.
     
    Vor zwei Wochen hatte ich das Telefon mindestens zwanzigmal in die Hand genommen und genauso oft wieder auf die Station gelegt.
     Ich hatte mir die Fußnägel lackiert, das Badezimmerfenster geputzt, meine Kontoauszüge abgeheftet, drei Blusen gebügelt und
     schließlich eine Flasche Rotwein geöffnet. Ein Glas lang dachte ich nach, gegen 21   Uhr rief ich Richard an. Als ich die Bremer Vorwahl wählte, spürte ich meinen Pulsschlag im Hals.
    Nach dem zweiten Freizeichen meldete er sich.
    »Jürgensen.«
    Mein Hirn fühlte sich leer

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